: „Keine Kehrtwende der birmesischen Junta“
■ Nach Aung San Suu Kyis Freilassung geht das Verwirrspiel in Birma weiter
London (taz) – Die Freilassung von Birmas Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest bedeutet für die birmesischen Exilgruppen und ihre UnterstützerInnen noch lange kein Ende ihres Kampfes. „Viele vergleichen jetzt Burma mit Südafrika – das halte ich für falsch“, meint Sarah Sutcliffe von der britischen „Burma Action Group, UK“. „Mandelas Freilassung hatte eine ungleich größere Tragweite, weil dort die Konfliktparteien fünf Jahre lang verhandelt haben und das Ende seiner Haft tatsächlich einen ganz großen Fortschritt bedeutete. In Burma dagegen ist völlig unklar, in welche Richtung sich das Land jetzt bewegen wird, die Konfusion wächst von Tag zu Tag.“
Noch immer haben die Medien in Birma offiziell nicht über das Ereignis berichtet. Statt dessen bekräftigt die Militärregierung ihre Absicht, auch künftig eine „führende Rolle in Staat und Gesellschaft“ zu spielen. Suu Kyi, die in ihrem Haus täglich bis zu dreißig Interviews gibt, reagiert mit großer Vorsicht, sie bittet ihre Landsleute um Disziplin und das Ausland darum, sich noch mit eindeutigen Bewertungen der neuen Lage zurückzuhalten. Das gilt vor allem für Japan: Kaum war die gute Nachricht bekannt geworden, erklärte die japanische Regierung, daß nunmehr die eingefrorenen offiziellen Wirtschaftsbeziehungen wiederbelebt werden könnten und gewährte umgehend einen Kredit in Höhe von etwa 125 Millionen US-Dollar. Der Autokonzern Mitsubishi kündigte an, ab September mit dem ersten Joint-venture der Autobranche vertreten zu sein.
Glynnis Kinnock, Mitglied des Europaparlaments, rief bei einer Kundgebung vor der birmesischen Botschaft am Samstag „die internationale Gemeinschaft mit aller Dringlichkeit dazu auf, sich von den neuesten kosmetischen Veränderungen im Land nicht beeindrucken zu lassen. Nichts deutet darauf hin, daß die Militärjunta plötzlich eine demokratische Kehrtwende gemacht hat!“
Aus Birma kommen weiterhin Meldungen über das Wiederaufflammen militärischer Auseinandersetzungen im Karen-Staat, wo die ethnische Widerstandsgruppe Karen National Union (KNU) seit über 40 Jahren für ein föderalistisches, demokratisches Burma kämpft. Anfang des Jahres war es der Junta gelungen, die KNU in eine christliche und eine – von der burmesischen Armee gedeckte – buddhistische Fraktion zu spalten.
Die Junta setzt bei ihrer Politik der rassistischten Aufwiegelung zunehmend auf die religiöse Karte. Der in Rangoon lebende katholische Pfarrer Saw Ba Kyin* beobachtet diese Entwicklung mit größter Sorge. Die Militärregierung hat seiner Ansicht nach „in der Bevölkerung nicht die Unterstützung, die die Regierung als Basis für die Stabilität des Landes braucht. Deswegen versuchen sie jetzt vermehrt, sich mit hochrangigen buddhistischen Mönchen zu verbinden.“ Diese Politik ist von langer Hand vorbereitet. Viele Mönche zählten seit langer Zeit zum Widerstand, nach dem Massaker von 1988 hat sich im Untergrund sogar eine Vereinigung revolutionärer Mönche gegründet. Aber mit dem sogenannten „3-P-Programm“ (Propaganda, Purifikation und „Papismus“) hat sich die Junta einen politischen Zugang und Kontrolle über das religiöse Leben im Land geschaffen. Mit der „Purifikation“, der „Reinigung der buddhistischen Lehre“, wurden systematisch alle progressiven politischen Mönche verfolgt oder zumindest mundtot gemacht. Durch den „Papismus“ schaffte die Junta die Autonomie der einzelnen Tempel zugunsten einer streng hierarchischen – „päpstlichen“ – Organisation ab, die dem Wesen des Buddhismus völlig zuwider läuft, aber wirksame Kontrollen ermöglicht. Was man unter dem dritten „P“ für Propaganda zu verstehen hat, das wird erst jetzt offenbar. Saw Ba Kyin berichtet u.a. von ganzen Junggesellen-Bataillonen, die derzeit im nördlichen Chin- Staat stationiert werden. Ihre einzige Aufgabe: Frauen der ethnischen Minderheit zu ehelichen und diese zur Konversion zum Buddhismus zu bewegen. Dafür erhalten die Soldaten üppige Prämien.
Suu Kyis Freilassung muß vor dem Hintergrund solcher Nachrichten betrachtet werden. Dorothee Wenner
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