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Ungebildete Ärzte -betr.: "Vergifteter Jungbrunnen", taz vom 15.7.1995

Betr.: „Vergifteter ,Jungbrunnen'“, taz v. 15.7.

Bei der Werbung für Hormonpräparate wird vielfach in der Öffentlichkeit übersehen, daß Werbung keine sachlichen Informationen über ein Produkt bietet, sondern mit optimalen Methoden hohe Verkaufszahlen erzielen will. Das Dilemma besteht darin, daß die sog. Informationen für Frauen in den Wechseljahren von der Pharmaindustrie oder von ihr nahestehenden Autoren verfaßt sind. Was fehlt, ist die Möglichkeit unabhängiger wissenschaftlicher Weiterbildung für Frauenärzte.

Die Forschung zum Zusammenhang zwischen Hormoneinnahme und Herzkrankheiten, Osteoporose und Krebs wird nicht von Gynäkologie und Hormonforschung betrieben, sondern von der Epidemiologie. Sie erforscht in bevölkerungsbezogenen Fall-Kontroll-Studien Risikofaktoren und Häufigkeit der wichtigsten Krankheiten. Die Ergebnisse werden in epidemiologischen Fachzeitschriften und auf Fachkongressen in USA und England veröffentlicht. Da es deutschen Frauenärzten mangels Zeit nicht möglich ist, sich dort zu informieren, müßte es entsprechende Weiterbildungsangebote in der Bundesrepublik geben. Wohl durch ihr Fehlen ist es zu erklären, daß viele Frauen nicht nach den bekannten Kontraindikationen gefragt werden. Zudem werden Frauen Hormone selbst dann verschrieben, wenn sie z.B. Migräne, Myome, Endometriose, Diabetes etc. haben.

Vielfach sehen sich die Frauenärzte andererseits dem Druck von Frauen ausgesetzt, die aufgrund der Werbung das Verschreiben von Hormonen verlangen. Hormonrezepte bringen Krankenscheine. Frauen ab 40 stellen im immer schärfer werdenden Konkurrenzkampf einen gewichtigen Wirtschaftsfaktor dar.

Wer in der Weiterbildung mit Frauen arbeitet, hat die große Bedeutung der geschlechterspezifischen Art zu kommunizieren erfahren und sich entsprechend fortgebildet. Um in der ohnehin schwierigen Gesprächssituation herausfinden zu können, was die jeweilige Patientin meint und braucht, sollten auch Frauenärzte sich die entsprechenden Kenntnisse der kommunikationspsychologischen Frauenforschung aneignen.

Brigitte Greiser

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