Magdeburger Armaturenwerke goes East

■ Babcock kauft polnische Maschinenbaufirma / MAW-Betriebsrat befürchtet Verlagerung der Produktion nach Osten und völlige Schließung in Magdeburg

Magdeburg (taz) – Die geplante Halbierung der Belegschaft bei den Magdburger Armaturenwerken (MAW) von derzeit noch 412 auf 200 Mitarbeiter ist womöglich nur ein erster Schritt zur Schließung aller Babcock-Fabriken in Sachsen-Anhalt. Neben dem Magdeburger Werk ist der Maschinenbaukonzern auch auch noch in Bitterfeld und Rudisburg engagiert. Dem MAW-Betriebsratschef Otto Weis liegen nach eigenen Angaben vertrauliche Unterlagen der Konzernleitung vor, die diesen Schluß nahelegen.

Danach steht die Deutsche Babcock Industrie- und Systemtechnik Oberhausen kurz vor der Übernahme der Anteilsmehrheit am Armaturenhersteller Chemar im polnischen Kielce. Nach den Erkenntnissen von Weis vereinigen die Polen die Produktionsprofile aller drei Babcock-Töchter in Sachsen-Anhalt unter einem Dach. Von einer Schließung der drei Werke wären mehr als 2.000 Arbeitnehmer betroffen.

Vorerst haben MAW-Belegschaft und Betriebsrat aber Zeit gewonnen. Der MAW-Aufsichtsrat lehnte es am Mittwoch nachmittag ab, das von der Geschäftsführung vorgelegte Sanierungskonzept mit den geplanten Massenentlassungen abzunicken. Statt dessen bekam die Geschäftsführung den Auftrag, ihre Hausaufgaben nachzuholen. „Die Geschäftsführung wurde beauftragt, die Eckdaten ihres Sanierungskonzeptes noch einmal zu überprüfen und unverzüglich mit dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuß des Unternehmens Verhandlungen über die Sanierungspläne aufzunehmen“, teilte MAW-Geschäftsführer Jürgen Mamsch nach der Aufsichtsratssitzung mit. Damit soll die Geschäftsführung die Verstöße von Babcock-Vorstandschef Andreas Schlüter gegen das Betriebsverfassungsgesetz wieder ausbügeln. Schlüter hatte am Rande einer USA-Reise von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) aus dem Nähkästchen geplaudert und einem Magdeburger Journalisten im Höppner-Troß die Entlassungspläne gesteckt.

„Dabei schreibt das Betriebsverfassungsgesetz zwingend vor, daß von solchen Plänen zunächst der Betriebsrat und der Wirtschaftsausschuß zu informieren sind, bevor so etwas an die Öffentlichkeit gelangt“, sagte Betriebsratschef Weis. Die Schieflage der MAW, bei der allein im laufenden Geschäftsjahr mit 30 Millionen Verlust gerechnet wird, führt Weis einzig auf Managementfehler zurück.

Seit der Privatisierung an Babcock im Jahr 1991 hätten sich neun Geschäftsführungen die Klinke zur MAW-Vorstandsetage in die Hand gegeben. „Alle haben immer wieder großspurig Sanierungskonzepte versprochen, aber nur Entlassungen zustande gebracht“, poltert Betriebsratsvorsitzender Weis. Immerhin gab es bei der Übernahme der MAW durch Babcock noch 7.300 Mitarbeiter in dem Magdeburger Unternehmen.

Trotz der Hausaufgaben, die die Geschäftsführung vom Aufsichtsrat aufbekommen hat, hält sie an den geplanten Entlassungen fest. „Sie sind Teil eines ganzen Maßnahmebündels, mit dem die Ergebnissituation bei MAW kurzfristig verbessert werden soll“, sagte Geschäftsführer Mamsch. Und immerhin weiß er dabei den Vorstandschef der Konzernmutter hinter sich.

Sei die Halbierung der Belegschaft bis zum Jahresende nicht abgeschlossen, hatte Babcock-Chef Schlüter angedroht, werde der Standort ganz dichtgemacht. Damit wäre der erste Schritt zur Produktionsverlagerung in Richtung billiger Osten schon getan.

Angesichts solcher Aussichten beginnt auch die IG Metall schon einzuknicken. Hatte sie vor wenigen Tagen noch angekündigt, jede einzelne Kündigung vor dem Arbeitsgericht anzufechten, soll der Bevollmächtigte der IG Metall Magdeburg, Claus Matecki, am Mittwoch abend intern eine neue Parole ausgegeben haben: Es könne eigentlich nur noch darum gehen, für die MAW-Beschäftigten, die bis Ende des Jahres auf der Straße liegen sollen, das Bestmögliche an Abfindung und Sozialplan herauszuholen. Eberhard Löblich