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Museumslandschaft geprägt

Gesichter der Großstadt: Reiner Güntzer, bislang Referatsleiter bei der Kulturverwaltung, wird Generaldirektor der neugeschaffenen Stiftung Stadtmuseum  ■ Von Ulrich Clewing

Jetzt hat er es also doch geschafft: In Kürze wird Reiner Güntzer, die Zustimmung des Senats vorausgesetzt, erster Generaldirektor der neuen Stiftung Stadtmuseum Berlin. Und auch der Kultursenator darf sich freuen. Mit der Berufung seines langjährigen Mitarbeiters hat Roloff-Momin, allen anfänglichen Widerständen zum Trotz, letztendlich seinen Wunschkandidaten durchgeboxt.

Eine gute Wahl? Eins ist sicher: Es dürfte kaum jemanden geben, der die Museen des Landes Berlin besser kennt als der 57jährige Verwaltungsjurist. Seit 1967 arbeitet der gebürtige Trierer in der Berliner Kulturverwaltung. In den vergangenen 28 Jahren als Leiter des Referats Museen hat er die hiesige Museumslandschaft geprägt wie sonst niemand. Alles, was in den letzten drei Jahrzehnten auch nur entfernt mit dem Aufbewahren von Kulturgegenständen zu tun hatte, landete früher oder später auf seinem Schreibtisch.

Dabei hat Güntzer eine ganze Reihe von Erfolgen verbuchen können: Er sorgte für die Umsiedlung des Bauhaus-Archivs von Darmstadt nach Berlin (1979), gründete den Museumspädagogischen Dienst (ebenfalls 1979) sowie das Museum für Verkehr und Technik (1982). Von 1967 bis 1988 war Güntzer Geschäftsleiter des Brücke-Museums, ab 1971 bekleidete er zudem das Amt des Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Bauhaus-Archivs. Darüber hinaus sitzt er seit langem im Unterausschuß Museen der Kultusministerkonferenz.

1994 wurde Güntzer in das Kuratorium der Berliner Karl-und- Emy-Schmidt-Rottluff-Stiftung aufgenommen. Zwei seiner Lieblingsprojekte, der Umzug der Berlinischen Galerie in das Postfuhramt in der Oranienburger Straße und die Einrichtung eines internationalen Ausstellungszentrums im Martin-Gropius-Bau, gewinnen zusehends Kontur. Auch an der Ausarbeitung des Anfang des Jahres in Kraft getretenen Museumsstiftungsgesetzes war Güntzer maßgeblich beteiligt – paradoxerweise schuf er so selbst die Voraussetzungen für seinen künftigen Posten.

Einen besonders dicken Stein hat der Museumsplaner bei den Beschäftigten des Märkischen Museums im Brett, seit er sich vehement für die Erhaltung von Planstellen eingesetzt hat.

Doch nicht alle teilen diese Dankbarkeit. Gerade die kleineren Institutionen in Ostberlin haben auch Grund zur Klage. Die Sammlung industrielle Gestaltung in der Kulturbrauerei beispielsweise muß künftig auf drei von ursprünglich sieben Stellen verzichten – abgesehen davon, daß man dort generell nicht sonderlich glücklich ist, dem Megaprojekt Stadtmuseum anzugehören. Schließlich ist die Sammlung nicht nur für Berlin zuständig, sondern für das ganze Gebiet der DDR.

Ebenfalls wenig Freunde hat sich Güntzer mit seiner bisweilen schnoddrigen Art beim Jüdischen Museum gemacht. Inzwischen sind die Fronten derart verhärtet, daß Güntzer, wie die Wochenpost kürzlich herausfand, in einem internen Papier die Ablösung von Direktor Amnon Barzel gefordert hat. Daß er der Richtige ist, als Generaldirektor den entstandenen Riß zu kitten, darf bezweifelt werden.

Schon bei seinen früheren Aktivitäten war der Multifunktionär Güntzer nicht immer so erfolgreich, wie es einem heute gerne weisgemacht wird. So setzte er sich Mitte der siebziger Jahre nachdrücklich für die Gründung der Berlinischen Galerie ein, obwohl das Land bereits 1971 das Berlin Museum in seine Trägerschaft übernommen hatte. Seitdem hält sich hartnäckig das Gerücht, Güntzer habe damals die Berlinische Galerie nur deswegen ins Leben gerufen, um seinem Kumpel, dem Kunsthistoriker Eberhard Roters, zu einer adäquaten Stellung zu verhelfen. Wie dem auch sei, jedenfalls hat die Stadt seither zwei Museen für Berliner Kunst. Auch bei der Staatlichen Kunsthalle 1976 hatte der ehrgeizige Planer keine glückliche Hand. Dem mit über fünfeinhalb Millionen Mark pro Jahr ausgestatteten Haus, durch inkompetente Führung zu langem Siechtum verurteilt, wurde im Spätherbst 1993 sang- und klanglos der Geldhahn abgedreht.

Nicht nur deshalb sehen manche der Berufung Güntzers mit gemischten Gefühlen entgegen. Hinter vorgehaltener Hand wird genörgelt, daß Güntzer als Museumsreferent Gelegenheit hatte, Konkurrenten auszubooten und die Ausschreibung des Postens des Generaldirektors des Stadtmuseums ungestört auf sich selbst zuzuschneiden. Andere haben grundsätzliche Vorbehalte und bemängeln, für das neue Amt fehle Güntzer schlicht die erforderliche Sachkenntnis. In der Tat hat der 57jährige Jurist zwar bisher viel mit Museen zu tun gehabt. Eine spezifische fachliche Qualifikation aber kann er nicht vorweisen. Den Museumsalltag kennt Güntzer bislang bestenfalls vom Hörensagen.

So drängt sich der Eindruck auf, daß es bei der Besetzung mit Güntzer vor allem darum ging, die Inthronisation der ursprünglich für den Posten der Generaldirektorin vorgesehenen Historikerin Ulrike Kretschmar, Leiterin der Abteilung Museumsorganisation beim Deutschen Historischen Museum und Vertraute von Kanzlerberater und DHM-Chef Christoph Stölzl, zu verhindern. Güntzer aber wird mit dem Makel, das kleinere von zwei Übeln zu sein, leben lernen. Immerhin scheint er Erfahrungen im Umgang mit überspannten Erwartungen zu haben: Kurz vor Bekanntwerden seines Karrieresprungs verabschiedete er sich in den wohlverdienten Jahresurlaub.

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