■ Rund 20.000 Hippies bei einem Festival auf Burg Herzberg
: Die Wiedergeburt einer Bewegung

Breitenbach (taz) – Ein anachronistischer Zug war es (auch), der sich an diesem Wochenende drei Tage lang – zunächst in brütender Hitze und dann im strömenden Regen – hinauf zur Burg Herzberg bei Breitenbach im hessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg wand: Eine „Wallfahrt zum Big Zeppelin“ nannte das einmal der Liedermacher Franz-Josef Degenhardt.

„Movement of the Hippies“ heißt das heute bei Kalle Becker und Oliver Schenk aus Fulda, den Initiatoren dieser angeblich größten Aktion zur Resurrektion einer längst verstorben geglaubten Bewegung. Und „Movement of the Hippies e. V.“ heißt auch gleich ihr für die Organisation der dauerhaften Wiederbelebung der Szene nach teutonischer Sitte gegründeter Verein.

Die Blumenkinder sind tatsächlich wiederauferstanden: Lange Haare, Bärte, Ketten, Ringe und kurze, abgerissene Hosen bei den in die Jahre gekommenen Freaks. Lange Haare, Folklorekleider, Ketten, Ringe, und kurze, abgerissene Hosen auch bei den Ladys der Szene. Rund 20.000 Hippies aus ganz Deutschland, aus England, Holland und Skandinavien hatten ihre alten Diesel und die Bikes angeworfen und sich in die hessische Provinz aufgemacht, um sich das gute alte Feeling zurückzuholen – mit der Musik so legendärer Gruppen wie Birth Control, Amon Düül 2 oder den Grandmothers, wie sich die Mothers of Invention ohne den verstorbenen Frank Zappa heute nennen.

Dafür, daß der bunte Zug nicht nur anachronistische Züge trug, sorgten auf dem Herzberg vor allem die Newcomer – junge Leute, die „die Schnauze gestrichen voll“ haben vom coolen Techno, die wieder „handgemachte Musik“ hören und sich ohne Streß ein „Gemeinschaftserlebnis“ verschaffen wollen, wie der 21jährige Page aus Hanau euphorisch anmerkte. Stilecht sind er und seine Freundin Maja (20) nach Breitenbach getrampt. Exakt 90 Mark mußten beide für die Festivalkarten hinlegen. Für drei Tage gehe das „voll in Ordnung“, sagt Page, denn die Musik sei „klasse und die Leute hier sind alle gut drauf“.

Ihr Zelt steht neben tausend anderen auf einer großen Wiese unterhalb der Burg. Über dem Lagerplatz der Hippies hängen schwere Wolken, aufgestiegen aus tausenden von Haschischpfeifchen. Und am Waldrand stinken die Latrinen zum Himmel.

Dope war auf Burg Herzberg die einzige offiziell von den Veranstaltern genehmigte Droge. Gegen harte Alkoholika gingen Becker und seine Ordner aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr von Breitenbach dagegen unbarmherzig vor. Ganze Kisten von Tequila habe man schon am Freitag beschlagnahmen müssen, berichtete Becker. Das sei „Präventionsarbeit“ auch gegen Schlägereien gewesen, denn das Festival der Hippies sei nun mal kein Parteitag der CSU. Zoff gab es allerdings schon im Vorfeld der Veranstaltung. Da hatten „radikale Feministinnen“ laut Becker die Plakate des „Movement of the Hippies“ überklebt: „Veranstaltung fällt aus wegen Sexismus.“

Die bis heute nicht aus der Anonymität aufgetauchten TäterInnen, die erotische Kunst mit Pornographie verwechselt hätten, so meinte Becker, rieben sich an der gezeichneten Darstellung eines nackten Mädchens mit Lotosblüten im (nicht zu sehenden) Schamhaar – einem Akt aus dem Jugendstil. Das war dann selbst Erzbischof Dyba aus Fulda zu heavy. Mit dem Akt auf den Plakaten der Hippies werde zwar eine „moralische Schranke“ durchbrochen, sagte Dyba, doch die Kunst nehme sich diese Freiheiten – grundgesetzlich garantiert. Keep on rocking. Klaus-Peter Klingelschmitt