: SPD gegen europäische Ausbeuterlöhne
■ Gesetz gegen Billiglöhne am Bau geht den Sozialdemokraten nicht weit genug; sie fordern vollen Lohnschutz für alle Branchen / Gesamtmetall will Gesetz blockieren
Bonn (taz) – Als „völlig unzureichend“ hat die SPD die nationalen Entsende-Richtlinien bezeichnet, die Bundesarbeitsminister Norbert Blüm in der vorigen Woche vorgestellt hatte. Gestern präsentierten die Sozialdemokraten ihre Vorschläge, mit denen sie verhindern wollen, daß Arbeitskräfte aus der Europäischen Union (EU) in Deutschland zu Billigstlöhnen von etwa fünf Mark Stundenlohn beschäftigt werden und deutsche Arbeitnehmer Jobs verlieren.
Nach den SPD-Plänen soll eine künftige Entsende-Regelung nicht nur, wie von Blüm vorgeschlagen, zwei Jahre lang für das Bauhauptgewerbe, sondern unbefristet für alle Branchen und alle Lohngruppen gelten. „Die Probleme wachsen auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Gastronomie“, sagte die Berliner Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD).
Nach den SPD-Vorstellungen soll der Lohn der ausländischen Arbeitnehmer an „ortsübliche Tarife“ gebunden werden. Blüm will dagegen nur die unterste Tarifgruppe als Maßstab für die Entlohnung ausländischer Arbeitnehmer festschreiben, auch wenn sie in einem, nach deutschen Gehaltsstufen, höher dotierten Job arbeitet.
Wesentlich stärker als die Regierung will die SPD Arbeitgeber bestrafen, die gegen das Gesetz verstoßen. Während der Blüm- Entwurf ein Bußgeld von bis zu 50.000 Mark vorsieht, will die SPD Verstöße mit Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren sanktionieren. „Über ein Bußgeld von 50.000 Mark wird doch nur gekichert“, glaubt Bergmann.
Den Vorwurf, das Gesetz sei europafeindlich, läßt der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ottmar Schreiner, nicht gelten: „Nur ein soziales Europa ohne Ausbeuterlöhne wird von der Bevölkerung akzeptiert.“ Ein „gespaltener Arbeitsmarkt“ mit zwei unterschiedlichen Lohnsystemen müsse verhindert werden, weil dies zu enormen sozialen Spannungen führe und kleine und mittelständische Betriebe in die Pleite treibe.
Ganz anders motiviert ist der Widerstand gegen das geplante Gesetz von seiten der Arbeitgeber: Die Metallarbeitgeber kündigten gestern an, das Gesetz im zuständigen Tarifausschuß des Arbeitsministeriums zu blockieren. Dieter Kirchner, Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, nannte die Regierungspläne eine ordnungspolitische Sünde. Kämen sie durch, drohten der deutschen Wirtschaft Gegenmaßnahmen. Die Metallindustrie lebe zu über 50 Prozent vom Export. Zudem könne der geplante Mindestlohn am Bau die Löhne in anderen Branchen hochtreiben. Karin Nink
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