Mehr Gold fürs Volk

■ Von Champagner, Sonnenöl und Putten. Ein Trendrundgang in Gold

Neulich, in den Hackeschen Höfen, traf ich einen alten Bekannten. „Boaaah“, dacht‘ ich, „sieht der prächtig aus.“ Formschön betonte ein goldenes Trikot seine knackigen Körperbiegungen. Noch nie hatte ich ihn so gesehen. Das goldene Tuch verlieh ihm jene Anmut, die den Betrachter verharren läßt. Da wußte ich, es ist einfach der Knaller: Gold.

Feurig, glühend, glänzend. Wärmende Strahlen der Sonne tauchen die Stadt an lauen Sommerabenden in goldenes Licht. Gold, aurum, or, – die Farbe der Könige, der Pracht, des Reichtums. Überall blinkt und glänzt sie durch die sommerliche Stadt. Prickelnd emporsteigende Perlen goldgelben Champagners; bedachtsam balancierende Ladies auf goldlackierten Plateautretern. Golden Belockte – Poly-Color sei dank – sieht man keck die Straße herunterhüpfen. Sämig rinnt goldfarbenes Sonnenöl über golden gebratene Haut. Goldene Ringe, schimmernde Ohrhänger, gülden changierende Plastikkleider. Elastische Synthetik auf sommerlich erhitzter Haut, in Gold getaucht schafft sie schmale Silhouetten vollendeter Anmut. Bis zu einer Plättchendicke von 0,0001 mm kann es plattgewalzt werden – nahezu prädestiniert für textile Auflagen.

Igitt, wie umweltfeindlich, hör' ich's schon rufen. Ach was, Ende, Aus! Die Farbe der Sonne, der Lebeslust muß her! Mehr Gold fürs Volk! Dem flirrend kühlen Silber zuckender Körper auf der Love Parade ein Kontrapunkt: Gold. Schluß mit dem beigen Einerlei von Ökomode und Naturklamotten. Jawoll, bestätigt Elke Gratz vom Deutschen Modeinstitut in Düsseldorf, der Trend geht weg von der Natur. Schrill, glänzend, leuchtend-warm soll es sein.

Her mit dem goldenen Fummel. Ran an den barocken Klunker. Und doch: Sind goldene Hüllen nicht mehr als billiger Tand? Aus psychologischer Perspektive ergeben sich dankbare Orientierungshilfen. „Die Lust am Gold ist ein typisches Symptom unserer Leistungsgesellschaft. Das Ziel ist Konsum, nicht etwa Selbstverwirklichung“, analysiert der Berliner Sexualpsychologe Konrad Sprai.

Vorbei die Zeiten, in denen es genügte, braungebrannt, jung und dynamisch zu sein, um als leistungsfähiger Bürger zu gelten. „Deshalb der Griff zu Gold. Denn Gold versinnbildlicht Glanz, Glamour und Reichtum durch Leistung.“ Wer nicht reich ist, tut so, als ob er Reichtum am Leibe trage – mit goldgetränktem Plastikshirt. Besonders Männer, weiß Sprai, lieben es, die Frau an ihrer Seite ostentativ zu begehrten „Exhibitionsobjekten“ ihrer gesellschaftlichen Stellung zu machen. Derzeit sind zu diesem Behufe goldene Hot pants über den Formen der Freundin absolut en vogue.

„Selbstverständlich hat Gold auch eine erotische Komponente. Denn nichts ist so sexy wie Erfolg“, versichert Sprai. Kein Wunder, daß im alten Griechenland all die griechischen Helden ausrückten, um sich mit dem reichen Glanz des goldenen Vlieses zu schmücken. Gold war eben schon immer der Knaller. Und nun?

„Gold wird schon wieder verramscht“, ernüchtert Elke Gratz vom Deutschen Modeinstitut. „Schon im Winterschlußverkauf lag es überall auf den Wühltischen. Der Trend war eigentlich erst für den Herbst 95/96 vorhergesagt. Aber diese H&Ms produzieren Moden im Voraus wie nix. Deshalb ist der Trend eigentlich schon wieder vorbei.“

Papperlapapp. Schon ein Blick auf den Möbelmarkt zeigt: Die neue Prächtigkeit, die neue Romantik ist angesagt. Schwülstige Kronleuchter, goldgeschwungene Stuhlbeine, schwebend glänzende Putten. Erich Naumann muß es wissen. Er leitet „Trendrundgänge“ auf der internationalen Möbelmesse in Köln: „Gold spielt eine außerordentliche Rolle. Der Trend ist mehr als eine kurzlebige Mode. Der hält bestimmt fünf Jahre an.“ Na bitte. Anja Dilk