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Kurden hungern trotz einer Toten

■ Zu Ehren der „ersten Märtyrerin in Europa“: Kurden kündigen Trauermarsch in Berlin an

Berlin/Frankfurt (taz) – Die Zahl der hungerstreikenden Kurden in Berlin ist seit dem Tod von Gülnaz Baghistani am Donnerstag von etwa 280 auf etwa 350 angewachsen. Auch der Ehemann der Verstorbenen befürwortete die Fortsetzung des Streiks. Die in Osnabrück lebende 41jährige Mutter von fünf Kindern starb nach sieben Tagen Hungerstreik und einem anschließenden Protestmarsch bei großer Hitze. Am Donnerstag abend wurde ihr Leichnam in ein Beerdigungsinstitut gebracht. Weil es am gleichen Tag in Frankfurt zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und vor allem kurdischen Jugendlichen kam, wird jetzt befürchtet, daß Gülnaz Baghistani zur Märtyrerin erklärt wird und die Anschlagserie weitergeht. Schon in der Nacht zum Freitag kam es zu neuen Anschlägen auf türkische Einrichtungen in Hannover, Oldenburg und Gießen. Die erwartete Randale in Berlin blieb aus.

Gestern war die Stimmung in dem deutsch-kurdischen Kulturverein „Navca- Kurd“ in Berlin-Kreuzberg ruhig. Die Polizei, die in der Nacht zuvor noch mit Dutzenden von Einsatzwagen präsent war, hatte sich zurückgezogen. „Solange die Polizei nicht eingreift“, sagte ein Kurde, „wird auch nichts passieren.“ Nach der gewaltsamen Auflösung der Mahnwache in der Innenstadt von Berlin hatten die Hungerstreikenden in den Räumen dieses Vereins ein provisorisches Quartier gefunden. Dort war auch die 41jährige gestorben. Bis zum 5. August hat die Polizei sämtliche Aktionen unter freiem Himmel verboten.

Aus Anlaß des Todes von Gülnaz Baghistani riefen gestern in Berlin kurdische Vereine zu einer Demonstration auf. Am kommenden Dienstag, also während der Zeit des Versammlungsverbots, soll mit einem Trauermarsch der „ersten Märtyrerin des Hungerstreiks in Europa“ gedacht werden. Die Organisatoren rechnen mit 40.000 Teilnehmern. Das „Büro für Solidarität mit den hungerstreikenden Kurden in ganz Europa“ erklärte gestern in Brüssel, Gülnaz Baghistani sei durch Schlagstockhiebe und Wasserwerfer gestorben. Eine Behauptung, die von der Berliner Polizei und der Ausländerbeauftragten der Stadt, Barbara John (CDU), zurückgewiesen wird.

Explosiv ist auch die Stimmung in Frankfurt am Main. Die „Pax Frankfurt“ existiere nicht mehr, sagte gestern die Leiterin des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten, Rosi Wolf-Almansreh. Fünf Jahre lang hätten ihre MitarbeiterInnen es mit „Konfliktmanagement“ geschafft, Eskalationen zwischen militanten Kurden und der Polizei zu verhindern – bis zum Donnerstag. Da versuchte die Polizei zunächst per Schlagstockeinsatz eine Mahnwache von rund 200 Kurden an der Katharinenkirche aufzulösen. Zuvor hatten die Demonstranten Bilder des PKK-Führers Öcalan gezeigt und Parolen skandiert. Mit Eisenstangen und Holzlatten gingen die PKK-Sympathisanten auf die Beamten los. Es flogen Pflastersteine, Gasflaschen wurden geöffnet und Feuerzeuge verteilt.

Anschließend kam es zu brutalen Kampf- und Prügelszenen. Mit pausenlosem Wasserwerfereinsatz verhinderte die Polizei, daß die Gasflaschen in Brand gesetzt werden. Nach den massiven Ausschreitungen lagen rund 180 gefesselte und verletzte Kurden am Boden – die meisten von ihnen waren aus der Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg angereist. Am späten Abend gab es dann noch einen Wasserwerfereinsatz, diesmal gegen etwa 250 Demonstranten, die sich an der Katharinenkirche zum Protest gegen den Polizeieinsatz vom späten Nachmittag versammelt hatten. Im Anschluß daran zogen militante Kurden über die Zeil, schlugen Schaufensterscheiben ein und zerstörten Telefonzellen. wahn/kpk Seite 4

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