: „Schluß mit den Halbherzigkeiten“
■ Dany Cohn-Bendit, grüner Europaabgeordneter und Frankfurter Multikulturdezernent, gehen Fischers Thesen nicht weit genug
taz: Joschka Fischer befürwortet eine militärische Garantie der UN-Schutzzonen in Bosnien. Alle anderen Alternativen dazu seien „schlimmer“. Beginnen die Grünen damit nun, ihre Haltung zu friedens- und außenpolitischen Fragen zu revidieren?
Dany Cohn-Bendit: Joschka Fischer ist auf dem richtigen Weg, weil er – wie ich schon vor drei Jahren – erkannt hat, daß sich bei den Serben in Bosnien ein faschistisches System etabliert hat. Außerdem hat er erkannt, daß der Politik der Gewalt der bosnischen Serben nicht mit Halbherzigkeiten begegnet werden kann. Fischer hat allerdings – im Gegensatz zu mir – mit seinem Strategiepapier den richtigen Zeitpunkt für die Initiierung einer solchen Debatte bei den Grünen abgewartet. Die Partei muß jetzt lernen, diesen Paradigmenwechsel auszuhalten.
Zuvor wurde diese Debatte bei den Bündnisgrünen doch gerade mit dem Hinweis darauf, die Partei könne das nicht aushalten, abgewürgt. Findet der Paradigmenwechsel jetzt mit Blick auf die Bundestagswahlen 1998 statt?
Eine Partei, die auf Bundesebene regierungsfähig werden will, muß in der Außenpolitik zu einer Linie finden, die von den Bündnispartnern der Bundesrepublik akzeptiert werden kann. Eine Verweigerungshaltung bei existentiell wichtigen Themen ist noch nicht einmal eine politische Haltung – geschweige denn eine akzeptable. Wir müssen damit aufhören, Außenpolitik nach dem Strickmuster der SPD zu betreiben. Ich fordere den Bundesvorstand der Partei auf, möglichst schnell einen Bundesparteitag zum Thema Außenpolitik einzuberufen.
Werden nicht erneut Grundsatzbeschlüsse der Grünen von den Kapitänen der Partei vorschnell über Bord geworfen?
Das glaube ich nicht. Wir werden unsere Außenpolitik weiter an Menschenrechtsfragen ausrichten. Unsere Außenpolitik wird eine moralisch fundierte sein. Wir werden weiter auf humanitäre Hilfe setzen und im Vorfeld von Auseinandersetzungen auf Konfliktvermeidungs- und Konfliktlösungsstrategien. In Zukunft werden wir uns jedoch einer militärischen Intervention dann nicht mehr grundsätzlich verweigern, wenn humanitäre Gründe dafür sprechen.
Joschka Fischer hat allerdings klar gesagt, daß sich deutsche Soldaten an einer militärischen Intervention auf dem Balkan nicht beteiligen sollten – trotz aller humanitären Gründe.
Wenn Fischer einmal Außenminister ist, wird er diese Haltung nicht beibehalten können. Interview:
Klaus-Peter Klingelschmitt
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