piwik no script img

Verhandlungen vor explosivem Hintergrund

■ Krajina-Serben und Kroaten treffen sich in Genf, um einen Krieg zu verhindern. In Sarajevo schossen bosnische Soldaten angeblich auf eigene Bevölkerung

Genf (taz) – Zunächst ohne jedes Ergebnis verliefen gestern in Genf Gespräche zwischen Vertretern der Regierung Kroatiens und der Krajina-Serben. Für den Abend hatte UNO-Vermittler Thorvald Stoltenberg eine Pressekonferenz angekündigt. Bei der UNO gab es kein Bestätigung für Angaben französischer Blauhelmsoldaten über angeblich gezielte Schüsse bosnischer Regierungssoldaten auf Zivilisten in Sarajevo.

Die kroatische Regierung unter Franjo Tudjman wie die Krajina- Serben hatten nur eine zweitrangige Delegationen nach Genf geschickt und damit deutlich ihr mangelndes Verhandlungsinteresse dokumentiert.

Zum Auftakt erklärte Stoltenberg zudem, die gestrigen Gespräche dienten lediglich der Vorbereitung „substantieller“ Verhandlungen. Die Regierung Tudjman versteht darunter Verhandlungen über die Wiederherstellung der vollen Autorität Zagrebs über die Krajina. Die Serben lehnen dieses Thema als Verhandlungsgegenstand ab. Der von den Krajina-Serben als „Vorleistung“ behauptete Abzug ihrer Milizen aus dem Kampfgebiet um Bihać wird nicht nur von den Regierungen Kroatiens und Bosniens, sondern auch von der Unprofor bestritten. Unter diesen Umständen bezeichneten es an den Gesprächen beteiligte UNO-Diplomaten schon als „Erfolg“, wenn sich beide Seiten auf die in den letzten Monaten schon mehrfach angekündigte Wiedereröffnung einer durch die Krajina führenden Ölpipeline verständigen würden.

Über die äußerst vage gehaltenen Aussagen von sechs französichen Blauhelmsoldaten, wonach Soldaten der bosnischen Regierungsarmee in Sarajevo in Heckenschützenmanier gezielt auf Zivilisten geschossen hätten, hatte am Dienstag die New York Times berichtet. Die Soldaten wollen mehrfach einen Heckenschützen beobachtet haben, der von einem Regierungsgebäude aus auf Zivilisten gezielt habe. Nach Beschwerden der Franzosen bei der Regierungsarmee und der Drohung, den Heckenschützen zu erschießen, sei dieser seit Mitte Juni nicht mehr aufgetaucht. Sprecher der Regierungsarmee wie des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović hatten die Aussagen der sechs französischen Soldaten entschieden zurückgewiesen und als Versuch bewertet, „beide Konfliktparteien als gleichermaßen schuldig hinzustellen“. Ungewöhnlich ist, daß die sechs Blauhelmsoldaten ihre Beobachtungen nicht an die UN- Hauptquartiere in Sarajevo und Zagreb weitergegeben haben. Daher existiert über die angeblichen Vorfälle bis heute auch kein offizieller Bericht. Andreas Zumach

Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen