Ein Ding aus dem Tollhaus

■ Die Bremer Arbeiterkammer kritisiert in einem Gutachten die Privatisierung der Stadthalle in Bremerhaven

Für die Berechnungen des Ma-gistrats der Stadt Bremerhaven hat Hans Jürgen Kröger, Leiter der Wirtschaftsabteilung der Arbeiterkammer, nur Spott übrig. Im Auftrag der ÖTV hat der Diplom-Volkswirt die „Einsparungsbilanz“ des Magistrats unter die Lupe genommen, auf deren Grundlage die Teilprivatisierung der Stadthalle im Juni des vergangenen Jahres beschlossen wurde. Das Gutachten hat er jetzt veröffentlicht.

„Das ist ein Ding aus dem Tollhaus“, wundert sich Kröger. „Die Rechnung ist unvollständig, streckenweise nicht nachvollziehbar und vor allem sind jede Menge Fehler drin.“ Für ihn steht fest: „Es ist solange gerechnet worden, bis das Ergebnis paßte, und zwar ganz im Sinne der Privatisierungsideologie des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung.“ Wenn es nach dem Magistrat geht, soll die Stadthalle nämlich möglichst bis zum 1. Oktober privatisiert werden. Eine private Betreibergesellschaft will die Stadthalle mieten. Der derzeitige Geschäftsführer Hans-Jürgen Krams preist sich als Gesellschafter und Geschäftsführer an. Weitere Teilhaber sollen der Nordsee-Zeitungs-Verleger Dr. Joachim Ditzen Blanke und die Bremer Brauerei Beck & Co. sein (vgl. taz 3.7.).

Statt einer öffentlichen Ausschreibung lag „seltsamerweise nur ein Angebot vor“ – das des jetzigen Geschäftsführers Krams. „Der kennt die internen wirtschaftlichen Verhältnisse bestens und hat mit diesem Insiderwissen das Angebot zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt“, folgert Kröger.

Mit angeblichen Einsparungen von 4.050.000 Mark machte der Magistrat den Stadtverordneten die Privatisierung seinerzeit schmackhaft. „Eine reine Milchmädchenrechnung“, kommentiert Kröger dieses Ergebnis. Statt des Plus von rund vier Millionen Mark tritt seiner Einschätzung nach das Gegenteil ein: Die Stadt macht in der geplanten Pachtzeit von fünf Jahren 3.950.000 Mark Miese. Das liegt u.a. an dem Betriebskostenzuschuß, den die öffentliche Hand an die Stadthalle zahlt. Der Magistrat hat diese Summe jährlich auf rund 2,5 Mark beziffert – in fünf Jahren sind das satte 12.5 Millionen Mark. „Dabei wird die Stadthalle zur Zeit für etwa 30 Millionen Mark renoviert. Durch diese Modernisierung stünden der Betreibergesellschaft 600 Quadratmeter mehr Nutzungsfläche zur Verfügung und Mehreinnahmen von 500.000 bis 600.000 Mark jährlich – die nirgendwo verrechnet werden“, kritisiert Kröger. Aufgrund dieser Mehreinnahmen verringere sich auch der Betriebskostenzuschuß, und zwar um satte 2,5 Millionen Mark.

Doch das ist nicht die einzige Summe, die der Magistrat in seiner Rechnung vergessen hat. Größere Reparaturen und Abschreibungen sind ebenfalls nicht berücksichtigt. Das sind nach Krögers Berechnungen allerdings satte 5,5 Millionen Mark. Auch in bezug auf die Personalkosten hat Kröger seine Zweifel, daß mit rechten Dingen zugegangen ist: „Da wurde mit gezinkten Karten gespielt“, ist er sich sicher. Der Magistrat berechnet für die sieben Vollzeitkräfte, die Krams übernehmen will pro Mann oder Frau 92.557 Mark. „Wenn man davon ausgeht, daß eine Vollzeitkraft 92.857 Mark kostet, müßten im Geschäftsjahr 1995/96 bei der Stadthalle 19,4 Vollzeitarbeitskräfte beschäftigt gewesen sein. Tatsächlich waren es jedoch im Geschäftsjahr 1993/94 26 Vollzeitarbeitskräfte, 8 Teilzeitarbeitnehmer und 2 Auszubildende“, zählt Kröger auf. „Das ist mir absolut schleiherhaft.“

Ein weiterer Punkt ist der Pachtzins. „Der Vertrag sieht vor, daß die Stadt weiterhin für die Grundsteuer aufkommt. Die Grundsteuer betrug bisher 130.000 Mark. Das hieße, die Pachteinnahmen von zunächst 10.000 Mark monatlich „reichen noch nicht einmal aus, um davon die Grundsteuer zu bezahlen“, gibt Jürgen Maly, Anwalt des Betriebsrates zu bedenken.

Über die Gründe für derart viele Ungereimtheiten kann Kröger nur spekulieren. „Hätte der Magistrat eine korrekte und transparente Berechnung vorgenommen, so müßte der Privatisierungsbeschluß aus wirtschaftlichen Gründen unverzüglich rückgängig gemacht werden“, sagt er. Dafür, daß das nicht geschieht hat er nur eine Erklärung:„Das hat wohl was mit Dingen zu tun, die als „Filz“ bezeichnet werden.“ kes