: Grüne: Abschiebeknast Kruppstraße ist illegal
■ Gutachten: Gesetz zur Unterbringung und Freilassung der Häftlinge nötig
Die Abschiebehaft in der Kruppstraße ist verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Rechtsanwalts Matthias Zieger, das von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im November letzten Jahres in Auftrag gegeben und nun vorgestellt wurde. „Der Vollzug einer längeren Haftstrafe bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Diese ist in Berlin nicht vorhanden“, kritisierte der Rechtsanwalt die gängige Berliner Praxis.
Zu demselben Ergebnis war im Juli das Verwaltungsgericht Greifswald in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren gekommen (die taz berichtete). Die Greifswalder Richter meinten allerdings, es reiche aus, die Abschiebehaft in Berlin aus der Zuständigkeit der Innenverwaltung herauszunehmen und der Justizverwaltung zu unterstellen. Diese Praxis findet in fast allen Bundesländern Anwendung. Als gesetzliche Grundlage für den Abschiebegewahrsam dient dann das Strafvollzugsgesetz.
Anwalt Zieger dagegen sieht auch in diesem Vorgehen keine rechtmäßige Alternative. „Abschiebehaft soll nur in Ausnahmefällen in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen werden. Das vom Gesetzgeber festgelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis wird durch diese Praxis auf den Kopf gestellt“, so Zieger. Seine Schlußfolgerung aus dem juristischen Gutachten: Da es derzeit keine zulässige Alternative gibt, sollten bis zum Erlaß eines eigenständigen „Abschiebehaftvollzugsgesetzes“ alle Inhaftierten freigelassen werden.
In der Vergangenheit hatte sich bereits die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John (CDU), für ein derartiges Gesetz ausgesprochen. Vollzugsbelange wie Besuchskontakte, Beurlaubung, Geldbesitz oder die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung sollten in diesem Gesetz geregelt werden. Zieger betonte, daß auch der Rechtsschutz gesetzlich festgelegt werden müsse.
Der ausländerpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Ismail Kosan, hat unter Bezugnahme auf das Gutachten Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) aufgefordert, alle Abschiebehäftlinge sofort freizulassen. Bei der Senatsinnenverwaltung hielt man sich gestern mit einer Stellungnahme zurück. „Solange das Gutachten nicht gründlich geprüft ist, können wir nichts dazu sagen“, meinte Pressesprecher Norbert Schmidt. Gesa Schulz
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