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Mit voller Härte im Einsatz

Hannover begrüßte seine Chaos-Gäste absichtlich mit dem Knüppel. Festnahmen hatten Vorrang. Die Grünen kritisieren die Polizei, der SPD-Innenminister wiegelt ab  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Die harten Polizeieinsätze während der Chaostage waren Konzept. Die Polizei hielt sich an ihr „Offensivkonzept“ und keineswegs an ein Deeskalationskonzept. Dies ergibt sich aus den Leitlinien für den Einsatz, die das niedersächsische Innenministerium gestern veröffentlichte.

Landesinnenminister Gerhard Glogowski (SPD) wies den Vorwurf der CDU weit von sich, die Polizei habe „zu lasch reagiert“. Vielmehr hätte die Einsatzrichtlinie vorgegeben, „grundsätzlich keine Rechtsverstöße zu dulden“ und „Entschlossenheit zu demonstrieren“. Priorität hatten „Festnahmen und Ingewahrsamnahmen“. Glogowski betonte, politische Vorgaben habe es für den Einsatz nicht gegeben. Der Innenminister spendete der Polizei Dank und Lob und machte für die Randale ausschließlich aus dem „In- und Ausland angereiste Gewalttäter“ verantwortlich. Sie seien „zum Zwecke der Gewaltausübung“ nach Hannover gekommen. Zu den Wohnprojekten für ehemalige Besetzer und für obdachlose Jugendliche meinte er, sie seien während der Ausschreitungen zu Kristallisationspunkten der Gewalt geworden. Über ihre Zukunft müsse man nachdenken.

Die Grünen in Hannover kritisierten vehement die Einsätze der Polizei. „Die Art und Weise hat wesentlich zur Eskalation der Gewalt beigetragen“, stellte gestern die hannoversche Ratsfrau der Grünen, Helga Nowack, fest. Nach Auffassung des Grünen-Landtagsabgeordneten Pico Jordan bestehe nunmehr die Gefahr, daß sich die Auseinandersetzungen im kommenden Jahr wiederholen werden, sollte „man die Chaostage weiterhin nur als polizeiliches Sicherheitsproblem begreifen“. So hätten die Punks während der Tage keinerlei Möglichkeiten gehabt, sich irgendwo ruhig zu treffen, sie seien geradezu „von einem Ort zum anderen getrieben worden“. Die Grünen-Abgeordnete Silke Stokar meinte, die Stadt müsse lernen, auch mit ungebetenen Gästen umzugehen. Sie müsse den Punks Aufenthaltsräume anbieten und Bühnen für ihre Bands aufstellen.

Die Vertreter der Grünen berichteten von zahlreichen sehr brutalen Polizeieinsätzen, bei denen sie selbst Zeugen waren. So seien am Boden liegende, bereits gefesselte Punks „übel mit Stiefeltritten traktiert“ worden. Bei der Räumung eines Parks habe man selbst elfjährige Kinder zu Boden geworfen und gefesselt. „Völlig sinnlos“ sei der von „beiden Seiten äußerst brutal geführte Kampf um Straßenbarrikaden“ vor dem ehemals besetzten Sprengel-Gelände gewesen. Die Barrikade sei insgesamt siebenmal geräumt und aufgebaut worden.

In diesem Zusammenhang habe auch eine ganze Einsatzgruppe der Polizei systematisch mit Steinen auf Punks geworfen, bevor sie zum Sturm auf die Barrikade ansetzte.

Strafrechtlich verfolgt werden sollen diese Beamten aber nicht. Schließlich sei durch die Steinwürfe niemand verletzt worden, rechtfertigte gestern Chaostage- Einsatzleiter Uwe Wiedemann das Verhalten seiner Polizisten.

Gegen neunzehn Punks, die Steine gworfen hatten, wurde jedoch zwischenzeitlich Haftbefehl wegen schweren Landfriedensbruchs verhängt. Innenminister Glogowski hoffte gestern, daß die Justiz „nun mit aller Härte“ gegen die Straftäter unter den Punks vorgehen werde.

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