: Blonder Mann mit kleinen Füßen
■ Identität der in der Ochtum gefundenen Leiche noch nicht geklärt
Kleine Füße hat der Mann, dessen Leichenteile am vergangenen Freitag aus der Ochtum gefischt wurden. Je 27,5 Zentimeter messen seine Quanten – macht laut Polizei summa summarum eine Schuhgröße von 42 bis 43. Das Haar ist lang und mittelblond. Am Kopf hat der Unbekannte vier Narben, eine mißt 14 Zentimeter. Seine Zähne sind schlecht. Das ist so gut wie alles, was die Polizei nach der Obduktion über ihn weiß. Auch die Todesursache konnte noch nicht festgestellt werden. Nur soviel ist sicher: Der Kopfschuß war nicht tödlich.
„Eine Woche dauert es im Schnitt, bis die wesentlichen Ergebnisse vorliegen“, mahnt Michael Birkholz, Direktor des Institutes für Rechtsmedizin am Zentralkrankenhaus St. Jürgen zur Geduld. Obwohl nur die Arme und Beine des Toten gefunden wurden, war es eine seiner leichtesten Übungen, das Geschlecht herauszufinden. Die Geschlechtschromosomen im Gewebe, sprich im Fleisch des Toden, ließen keine Zweifel offen.
„Das Alter herauszufinden, ist da schon schwieriger“, plaudert Birkholz aus dem Nähkästchen. „Da muß man an die Knochen ran. Die werden geschält und dann mazeriert, das heißt gekocht, bis sie richtig schön sauber sind“, erläutert der Gerichtsmediziner die Prozedur, die für ihn nüchterner Berufsalltag ist. Er kann nachts „ruhig schlafen“, obwohl sein Weg mit Leichen gepflastert ist. „Es ist leichter, sich von totem Leid zu distanzieren. Da leidet, stöhnt und schreit nichts mehr.“ Einen Knochenkocher, eine Mazerations-Anlage hat der Gerichtsmediziner übrigens nicht. „Ein Kochtopf tut es auch. So eine Anlage ist einfach zu teuer. Das Prinzip ist schließlich das gleiche.“ Nach dem Kochen wird der Knochen geröntgt und schließlich aufgesägt. „Beim Oberschenkelknochen oder dem Oberarmknochen geht das besonders gut“, weiß Birkholz aus Erfahrung. Im Inneren des Knochens befindet sich „ein schwammartiges Netz“, erklärt der Gerichtsmediziner. „Je größer das Netz, desto älter der Mensch.“ Das Alter des unbekannten Toten aus der Ochtum konnte auf 40 bis 45 Jahre eingegrenzt werden. „Mit dieser Methode kommt man bis auf fünf Jahre ran“, sagt Birkholz.
Das Gebiß gibt nicht nur Aufschluß über das Alter, sondern ist häufig auch der Schlüssel zur Identifizierung. Der Mann aus der Ochtum hatte einige Amalgamfüllungen, seine Schneidezähne sind überkront und mit Wurzelfüllungen versehen. Die Fingerabdrücke des Toten brachten nach dem Abgleich mit der Polizeikartei kein Licht ins Dunkel – jetzt hoffen die Beamten darauf, daß sich ein Zahnarzt an seinen Patienten erinnert: An einen Mann mit kleinen Füßen, langen Narben am Kopf und schlechten Zähnen. kes
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