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Heb den Kopf in die aufgehende Sonne

„Ein großer Tag für die Bahamas“: Wie Hochsprungweltmeister Kemp und die Tourismusfachkraft und 400-m-Zweite Davis optimale Fremdenverkehrswerbung betreiben  ■ Aus Göteborg Peter Unfried

Eines schönen Tages, die Sonne schien wie immer kräftig über Nassau, ließ der Premier im Namen Queen Elizabeths die Untertanin Pauline Davis zu sich bitten und erkundigte sich, warum ihre sportlichen Leistungen nachgelassen hatten, seit sie aus den USA auf die heimatlichen Bahamas zurückgekehrt war. Und sie antwortete, das liege daran, daß die Karibik so schön sei, sie in der Nähe des Strandes lebe und viel lieber morgens dahin gehe, um Kokosnußmilch zu trinken und gebratenen Fisch zu essen, als zu trainieren. Da nickte der Premier erst, doch dann fragte er sie, ob sie nicht zurück ins Ausland gehen wolle.

Da wurde ihr bewußt, sagt sie, daß sie eine Verantwortung hatte gegenüber dem Sozialgefüge, in dem sie aufgewachsen war. Die Sprinterin Davis, so hatte es ihr Staat parlamentarisch-monarchisch beschlossen, solle ein „role model“ abgeben, der Jugend einen möglichen Weg ins Leben zeigen. Sie ging nach Atlanta, Georgia, trainierte viele Jahre viel und hart und holte nun bei der WM in Göteborg hinter Marie-Jose Perec (Frankreich) die Silbermedaille über 400 m. Am selben Tag nahm Landsmann Troy Kemp erstmals in einem großen Hochsprung- Wettbewerb dem Abo-Sieger Javier Sotomayor aus Kuba die Goldmedaille weg.

„Es ist ein großer Tag für die Bahamas“, sagte Kemp, der seit elf Jahren in Idaho lebt und selten die Inseln anfliegt. Pauline Davis (29) hatte auf diesen Tag gewartet, viele Jahre, in denen sie zwischen 100, 200 und 400 m hin- und hergewechselt war, und es bei drei Olympischen Spielen immer ins Halbfinale, doch nur einmal bei der WM 1991 in einen Endlauf geschafft hatte (7. über 200 m). Nun war sie auf den von Überathletinnen weitgehend freien 400 m drin. Und hatte in einem bemerkenswerten Finish auf der Zielgeraden zwar nicht mehr die Weltjahresbestleistung rennende Perec (49,28 Sek.), aber Titelverteidigerin Jearl Miles überlaufen.

Womit die Bahamas, die mit 19 Athletinnen und Athleten hier sind, plötzlich mehr Medaillen haben als andere Verbände. Was nicht allen paßt. Die Deutschen zum Beispiel, mit knapp hundert ReckInnen flächendeckend aufmarschiert, haben erst eine. Nun, sagt DLV-Präsident Digel, seien die karibischen im Vergleich etwa mit den afrikanischen „sehr intakte Verbände“, doch Spitzenathleten, das wußte der Premier genau, werden einzig jene, die in US-Colleges trainieren. Der Hochspringer Kemp hat an der Boise State studiert, Pauline Davis an der University of Alabama. Von dort ging sie 1990 nach Atlanta, um bei Manley Waller, Ex-Sprinter und Ehemann wie Coach von 100-m-Weltmeisterin Gwen Torrence zu trainieren.

Zwischendrin arbeitet sie täglich acht Stunden im Bahamas Tourist Office. Und diese Arbeit, obwohl sie sie im Hinblick auf Olympia gerne loshätte, ist ihr Verpflichtung und Herzenssache. Zum allerersten Mal in den Tagen von Göteborg hat eine Medaillengewinnerin von den klatschfaulen Presseleuten Beifall auf offener Szene bekommen: Pauline Davis, die im deutlich bewahrten Insel- Idiom ihr Land pries, was in der Rezitation der ersten Sätze der Hymne gipfelte: „Lift up your head to the rising sun bahama land, march on to glory, your bright banner waving high.“

Soviel Heimatliebe hat auch die Hartgesottenen ein bisserl ergriffen, die sich gewöhnt haben an eine Athletenwelt voller Wirtschaftsflüchtlinge (wie den neu-dänischen 800-m-Weltmeister Kipketer, die neu-italienische Weitsprungsiegerin Fiona May, partiell die neu- deutsche Hochspringerin Alina Astafei). „Ich weiß nicht, sagt Pauline Davis, „was sie fühlen, und ich weiß, daß sie es des Geldes wegen tun, aber ich bin stolz, diese Medaille für mein Land gewonnen zu haben: für die Bahamas.“ Wo du geboren bist, da bist du her, sagt sie.

Nun mag man Davis womöglich blauäugig heißen, blöd ist sie nicht. Zwar behauptet jeder bunte Prospekt, es sei schlicht „better in the Bahamas“, doch nicht ohne das den Aufstieg ermöglichende Studium: „Ohne Ausbildung“, sagt Davis, „kannst du auf den Bahamas nicht überleben.“ Wenn sie in Atlanta sitzt und heulen muß vor Erschöpfung, weil sie trainiert hat wie Sau, und sieht, wie Freundin Torrence abschöpft, dann denkt sie an die, die nach ihr kommen und davon profitieren werden. Das, sagt sie, „wird mich glücklich machen“. Und dann sind da eine Gruppe Bahamians und schwenken die Fahne, und Pauline zeigt auf die Farben und sagt: „Schwarz ist für die warmen, freundlichen Menschen, Blau ist für das Wasser, Gold ist für den wunderschönen Sonnenschein.“ Und sie sagt: „Das hier ist erst der Anfang.“

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