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Chinesen auf dem Campus

■ China in Bremen (3) – heute: Studieren in Deutschland Von Ming Yin und Yu Xi

Der Alltag der chinesischen Studenten unterscheidet sich nicht sehr von dem ihrer deutschen KommilitonInnen. Dennoch stehen sie vor einer Reihe von Problemen, die ihr Aufenthalt in Deutschland mit sich bringt.

Der 33jährige Kai Zhang, der Wirtschaft als Hauptfach studiert, erzählt: „Jede Woche darf ich hier 10 Stunden in der Garderobe jobben, dafür kriege ich 14.88 DM pro Stunde. Aber es reicht hinten und vorne nicht. Zur Zeit teile ich mir zusammen mit einem deutschen Kommilitonen eine Wohnung, die Miete kostet 604 DM“. Um Geld zu sparen, hat Herr Zhang in den letzten 4 Jahren nur einmal seine Familie in China besucht. In Baodin (Nordchina) warten seine Frau, eine Journalistin beim Fernsehen, und seine 5jährige Tochter immer auf ihn. Aber Herr Zhang will nach seinem Studium noch in Bremen promovieren.

Zhihua Xie, 32 Jahre alt, ist vor 2 Monaten erst aus Wuhan, einer Großstadt am Yangtze in der Mitte Chinas, nach Bremen gekommen. Mit dem Stipendium von DAAD, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, besucht er einen Deutschkurs am Goethe-Institut in Bremen. Er wohnt zur Zeit allein in einer 2-Zimmer-Wohnung, deren Miete vom DAAD abgedeckt wird. Jeden Monat bekommt er zusätzlich noch 600 DM Taschengeld. Jede Woche hat er 20 Stunden Deutschkurs, in der Freizeit lernt er noch selbst in der Bibliothek. Er fühlt immer, daß die Zeit drängt. Er hofft sehr, etwas früher seinen Kurs hier in Bremen beenden und dann mit seinem Studium in München anfangen zu können.

Heute haben nur ganz wenig Jugendliche in China, ungefähr einer von Zehntausend, die Möglichkeit, im Ausland zu studieren. Man zählt nun ca. 70 chinesische Studierende in Bremen. In ihrer Heimat haben sie normalerweise schon mal studiert. Manche haben sogar viel Erfolg in ihrem Fachbereich. Aus verschiedenen Gründen, z.B. um bessere Arbeitsbedingungen zu finden, die moderne Technologie kennenzulernen, ein neues Leben mit fremdem kulturellem Hintergrund zu führen oder mehr zu verdienen, haben sie sich ausnahmslos sehr darum bemüht und viele Schwierigkeiten überwunden, um aus China rauszukommen. Wenn sie im Ausland angekommen sind, sind sie aber meistens gezwungen, viel Zeit dafür zu opfern, die einfache, körperliche und nicht gut bezahlte Arbeit zu machen, um ihr Leben und Studium hier zu finanzieren. Sie haben herausgefunden, daß Zeit und Geld der größte Druck für sie sind.

Frau Ming Yin, die Germanistik und Kulturwissenschaft studiert, kann sich noch gut an ihren Studienanfang vor einem Jahr erinnern. Da konnte sie sich fast nicht orientieren, denn die Studiensysteme in den beiden Ländern sind ganz unterschiedlich. In China ist alles gut geplant für die Anfänger, sie bekommen bereit den festen Stundenplan, feste Gruppe und Klasse, sie brauchen sich gar nicht um organisatorische Angelegenheiten zu kümmern. Aber hier in Deutschland muß der Student selbst die interessanten Veranstaltungen aussuchen und seinen eigenen Stundenplan zusammenstellen. Die erste Lektion für Frau Yin ist, selbständig zu sein, nicht nur bei der Suche der Wohnung und des Jobs, sondern auch beim Studieren. Diese Fähigkeit hat ihr sehr geholfen und wird ihr noch weiter helfen.

Die chinesischen Studenten haben einen guten Ruf in der Uni. In kurzer Zeit können sie es normalerweise schaffen, ihre deutsche Sprache zu verbessern und damit ihr Studium zu beginnen. Die Professoren betrachten sie meistens als fleißige, tüchtige und intelligente Studenten. Frau Hongyan Wu, die vor 6 Jahren aus der Provinz Hubei kommt und Wirtschaft als Hauptfach studiert, ist zur Zeit schon seit 2 Jahren Tutorin ihres Professors. Mit ihrer Arbeit ist der Professor sehr zufrieden. Den AnfängerInnen zu helfen, hat ihr auch viel Spaß gemacht.

Um Informationen zu vermitteln und auszutauschen, haben die chinesischen Studenten auch ihren eigenen Verein. Sie organisieren regelmäßig die Veranstaltungen. In der Mitte dieses Monats wird ein chinesischer Maler eingeladen, einen Vortrag über chinesiche moderne Kunst und Malerei zu halten. Durch den Verein können sich die chinesichen Studenten gegenseitig helfen. Bei ihrem Zusammentreffen sprechen sie dann ihre Muttersprache, singen chinesische Lieder, essen was Chinesisches wie zu Hause.

Obwohl die Ausländerfeindlichkeit heute in Deutschland immer schlimmer zu werden scheint, fühlen sich die chinesischen Studenten hier nicht diskriminiert. Sie haben hier noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. „Die Bremer sind zwar nicht so leidenschaftlich und aufgeschlossen, aber wenn Sie mit ihnen lange umgehen, können Sie dann entdecken, daß sie eigentlich sehr hilfsbereit und freundlich sind“, erzählt Herr Zhang, der sehr oft an Feiern seiner deutschen Freunde teilgenommen hat. Frau Wu ist auch der gleichen Meinung. Einmal hat sich ein deutscher Kommilitone spontan viel Zeit für sie genommen, um ihr Referat über 200 Seiten zu korrigieren. Er hat ganz genau gearbeitet bis zum einzelnen Komma und Punkt.

Es ist für die chinesischen Studenten aber nicht so einfach, richtig in die deutsche Gesellschaft einzutreten. Selbstverständlich spielt dabei der interkulturelle Unterschied eine sehr wichtige Rolle. Hier in Europa wird das alltägliche und kulturelle Leben sehr stark von der Religion geprägt. Das ist für Chinesen nicht leicht nachzuvollziehen. Sie können mit ihrer chinesischen Denkweise und Einstellung ihre deutsche Umgebung natürlich nicht gut verstehen.

Obwohl die chinesischen Studenten hier ein besseres Lebensniveau und bessere Arbeitsbedingungen als in ihrer Heimat haben, fühlen sie sich trotzdem noch sehr oft unwohl in ihrer Haut, verspüren „Lebensgefahr“. Frau Wu findet es sehr unangenehm, daß sie jedes Jahr zur Ausländerbehörde gehen muß, um ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Das ist ein sehr schlimmer Moment. „Dadurch kriege ich sofort ein unsicheres Gefühl im Hinblick auf meine Zukunft“. Als ausländischer Student aus der Dritten Welt können sie Deutschland niemals als Zuhause ansehen. Hier fehlen ihnen ihre Wurzeln. Diese Ratlosigkeit können sie nur durch ein sehr bekanntes chinesisches Lied ausdrücken. Es handelt davon, daß nach der scheinbaren Verwirklichung ihres Ziels wieder eine Enttäuschung eintritt und von der Erkenntnis, daß sie eigentlich immer noch in ihrem Herzen sehr weit vom Ziel entfernt sind: Ich folge Dir in die Ferne, aber Du nimmst es dir nie zu Herzen, im Traum treffen wir uns ab und zu, da bist Du mein Ein und Alles ...

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