„Laßt den Kopf träumen“

■ Yoga in der Schwangerschaft lindert nicht nur typische Beschwerden, es hilft auch, Streß und Angst vor der Geburt zu bewältigen Von Iris Schneider

Ein bißchen schwanger, das weiß jede, gibt es nicht. Aber manchmal fühlt frau sich schon sehr schwanger: der Nabel juckt, im Rücken zieht's, und wie sie das Kind aus ihrem Bauch rausbefördern soll, weiß sie konkret auch kaum genauer als eine neugierige Vierjährige. Dann wird es Zeit, sich professionelle Hilfe und Erleichterung angedeihen zu lassen, beispielsweise in einem Yoga-Kurs für Schwangere.

„Zuerst hatte ich Bedenken“, schildert Sabine ihre erste Begegnung mit der indischen Lehre zur Körperkräftigung und Lebensbewältigung. „Ich hatte einfach Angst, daß ich nach einem stressigen Tag bei den Entspannungsübungen einschlafe.“ Das Gegenteil trat ein: „Nach der Yoga-Stunde fühlte ich mich immer ganz erfrischt“, ist sie noch heute, nach der Geburt ihrer Tochter, überrascht. Das wundert Claudia Mahler, diplomierte Yoga-Lehrerin, gar nicht: „Ich achte immer darauf, daß die Entspannung in meinen Kursen nicht zu sehr ins Unbewußte abgleitet und die Frauen einschlafen.“ Als Notbremse flicht sie dann kleine Sätze ein, die im Kopf hängen bleiben.

Jeweils zehn bis fünfzehn Schwangere nehmen in ihrer Schule an so einem Yoga-Kurs teil, der ihnen nicht nur Erleichterung bei den typischen Zipperlein wie Rückenschmerzen und geschwollenen Beinen bringt, sondern sie auch auf die Geburt vorbereiten soll. Zwischen der 18. und der 25. Schwangerschaftswoche beginnen die meisten Frauen den zehnwöchigen Kurs, für den viele Krankenkassen einen Zuschuß gewähren. „Die fangen mit einer kleinen Wölbung am Bauch an, und am Schluß verlassen sie den Kurs mit einer großen Kugel“, schildert Claudia Mahler die Entwicklung des Leibesumfangs ihrer Teilnehmerinnen.

Im Unterschied zu reinen Geburtsvorbereitungskursen, in denen werdende Eltern vor allem über den Ablauf der Geburt und mögliche medizinische Verwicklungen informiert werden, bietet Yoga in der Schwangerschaft die Gelegenheit, sich körperlich und geistig-emotional auf die Geburt vorzubereiten. „Ich will den Frauen bewußt machen, daß eine Geburt gleichzeitig der natürlichste Vorgang der Welt und etwas ganz Einmaliges ist“, erklärt die Yoga-Lehrerin. Sie spricht dabei auch Ängste der werdenden Mütter vor den Schmerzen der Geburt an. „Laßt den Kopf träumen, wenn es schwierig wird“, rät sie ihnen.

Die Atem- und Entspannungsübungen des Yoga fördern die Körperwahrnehmung und die Konzentration auf die eigenen Kräfte. „Die Schwangeren finden dadurch zu innerem und äußerem Gleichgewicht“, beschreibt die Hebamme Karin Wittek die positive Wirkung. Außerdem sei die Atemtechnik des Yoga nicht so fremd wie die anderer Methoden der Geburtsvorbereitung. „Diese Atmung vergessen die Frauen auch unter der Geburt nicht“, hat sie beobachtet. Eine unkomplizierte Geburt kann natürlich auch ein Yoga-Kurs nicht garantieren. „Aber man lernt dadurch, Streß und Angst zu bewältigen. Die Gebärenden haben es dann subjektiv leichter“, ist die Erfahrung des Frauenarztes Wolfgang Cremer.

Ganz gezielt bemüht sich Claudia Mahler auch darum, das Selbstbewußtsein ihrer Teilnehmerinnen zu stärken. Aufrecht im Meditationssitz, müssen sie die ausgestreckten Arme kreisen lassen. Jede Stunde etwas länger. „So erfahren sie körperlich, daß sie unangenehme Situationen durchhalten können“ , erläutert die Yoga-Expertin.

Diese Wechselwirkung zwischen geistigem und körperlichem Erleben ist eine der Grundlagen des Yoga. Während es aber normalerweise sehr lange dauert, bis mensch sich mit Hilfe dieser indischen Philosophie das „Handwerkszeug“ – wie es Claudia Mahler nennt – angeeignet hat, um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen, bietet Yoga in der Schwangerschaft einen schnelleren Einstieg. In diesen Kursen werden ganz gezielt Übungen vermittelt, die Schwangeren und Gebärenden helfen. „Was man da gelernt hat, muß man aber nach der Geburt nicht wegwerfen. Gerade das Leben mit einem Säugling bringt einen leicht in stressige Situationen“, weiß die Yoga-Lehrerin. Und Katrin, Mutter von zwei kleinen Kindern, bestätigt: „Wenn ich Streß habe, denke ich oft an das, was ich beim Yoga gelernt habe.“

Und schließlich ist es ja auch Nicht-Schwangeren erlaubt, die allgemeinen Kurse der Hamburger Yoga-Schulen zu besuchen. Denn Yoga macht nicht nur Spaß, es fühlt sich auch gut an.