■ Was Sie über Fußball wissen wollten
: Werder Bremens Gastarbeiter

Die „AG Werda Brem“, eine Gruppe von StudentInnen der Kulturwissenschaft der Bremer Uni, sah mal nach, was sich jenseits des Rummels auf dem Spielfeld eigentlich beim SV Werder Bremen so tut. Einige der Ergebnisse der Privatforschungen stellt die taz anläßlich des Saisonstarts in loser Folge vor.

Will man der Geschäftsstelle des SV Werder Bremen Glauben schenken, dann ist es der argentinische Mittelfeld-Star Rodolfo Cardoso, der für den – ebenfalls neu verpflichteten – Brasilianer Junior Baiano als Dolmetscher fungiert. Denn Baiano, der, im Vergleich zu dem seit einigen Jahren in der Bundesliga spielenden Cardoso, keine Deutschkenntnisse vorweisen kann, ist auf die Hilfe seines neuen Vereins angewiesen.

Auch wenn die Fußballsprache international sein mag, die Überwindung von Sprachbarrieren stellt den ersten Schritt der Integration in die neue Umgebung dar. Also organisiert der Verein eine ehemalige Sprachlehrerin, die die Deutsch-Kurse speziell auf das knappe Zeitkontingent von Werders neuem Defensiv-Künstler abstimmt. Cardosos Dienste stellen also nur eine Übergangslösung dar, setzt der neue, holländische Trainer Ad de Mos doch verstärkt auf Eigeninitiative und Selbständigkeit seiner ausländischen Asse.

Diesen Umstand bekam auch Werders russischer Stürmer Wladimir Bestschastnych zu spüren: Als Bestschastnych nach Bremen kam, nahm sich der Kasache Viktor Pasulko seiner an. Pasulko, der selbst von einem langjährigen Vereinsmitglied betreut wurde, paukte mit Bestschastnych täglich zwei Stunden deutsch, erledigte Besorgungen und half dem jungen Russen, sich in Bremen einzuleben. Dieser soll nun seine – inzwischen recht guten – Sprachkenntnisse selbständig umsetzen, der Nebenjob Viktor Pasulkos ist erst einmal beendet.

Eine geeignete Unterkunft zu finden, scheint ein geringeres Problem zu sein – Bestschastnych bezog das Haus des nach Norwegen zurückgekehrten Rune Bratseth, Baiano übernahm Andreas Herzogs frühere Bleibe. Rotationsprinzip sozusagen.

„Vieles wird von der jeweiligen Situation abhängig gemacht“, erzählt Rolf Behrens, Manager der Werder-Amateure, „festgelegte Konzeptionen gibt es nicht. Jeder versucht da zu helfen, wo er gerade kann, oft läuft das auch nur über private Beziehungen. Das wichtigste ist, daß den Jungs das Gefühl vermittelt wird, daß jemand für sie da ist.“ Gerade für die meist noch sehr jungen ausländischen Amateure „muß der Verein oft noch ein Stück Elternhaus ersetzen“, so Behrens.

Inwieweit ein Wirtschaftsunternehmen als Familienersatz dienen kann, sei dahingestellt. Voraussetzung für dieses persönliche Engagement ist jedoch die Unterstützung bei Formalitäten. Über ein „Fußballpraktikum“ wird die Aufenthaltsgenehmigung von in der Regel einem Jahr erwirkt, Werder gewährleistet Versicherung sowie Unterhalt und gibt schon mal die vertragliche Zusage, zweimal jährlich auf Vereinskosten nach Hause fliegen zu dürfen – damit das Heimweh nicht gar so groß wird.

Rolf Behrens sieht die „Tatsache, daß Werder eigentlich immer schon viele Ausländer in seinen Reihen hatte, als die Möglichkeit gegenseitiger kultureller Lernprozesse.“ Der SV Werder Bremen als Repräsentant einer multikulturellen Gesellschaft? Wohl kaum, geht es doch gerade im Bereich des Spitzensports um knallharte Leistung – und die kann eben umso besser sein, wenn sich Spieler samt Familie wohlfühlen. Bernd Ziegler, Christine Bühring