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Unglaublich großes Interesse

■ Interview mit dem Leiter der Energieagentur NRW, Norbert Hüttenhölscher

Was macht eine Energieberatungsstelle zur „Agentur“?

Norbert Hüttenhölscher: Energieagenturen sind nicht kommerziell tätig – im Gegensatz beispielsweise zu Ingenieurbüros –, und sie haben einen landesfinanzierten Sockel. Das Land Nordrhein-Westfalen gibt pro Jahr etwa fünf Millionen Mark. Wert wäre es allerdings, diesen Bereich noch wesentlich weiter auszubauen. Das führte dann dazu, daß wir neutral und unabhängig beraten könnten.

Welche Leistungen bieten Sie an?

Nur solche Leistungen, die nicht vermarktbar, aber dennoch für eine rationelle Verwendung von Energie unbedingt erforderlich sind, also kostenlose Beratung, Information und Motivation für Unternehmen, Städte und Gemeinden. Die Informationsdefizite sind noch sehr groß. Oft werden auch wirtschaftliche Energiesparmaßnahmen nicht umgesetzt.

Der dritte große Bereich, den wir anbieten, ist die Weiterbildung. Die Energieagentur läßt Seminare erstellen, beispielsweise für den Bereich energiesparendes Bauen, die wir dann solchen Einrichtungen wie Volkshochschulen anbieten. Die allerdings vermarkten die Kurse dann natürlich.

Wie groß ist das Interesse an einer Beratung?

Unglaublich groß. Wir hatten letztes Jahr Hunderte von Anfragen. Die Umsetzung wird dann an Ingenieurbüros weitergegeben, denn wir sind nur elf Mitarbeiter, davon sieben oder acht beratend tätig.

In Ihrem Jahresbericht 1994 steht, daß Sie auch Beratung für politische Gremien durchführen. Sind Sie bei der Entscheidung zum Braunkohletagebau GarzweilerII gefragt worden?

Zumindest sind wir vom Landtag dazu gehört worden. Ich habe seinerzeit empfohlen, unbedingt ein abgestuftes Verhalten zu zeigen und sich nicht auf viele Jahre hinaus festzulegen. Andererseits sehe ich leider noch keine Möglichkeit, jetzt schon auf fossile Energieträger zu verzichten. Durch unerschöpfliche Energiequellen allein ist unser Energiebedarf noch nicht zu decken. Auch ist es nicht möglich, alles einzusparen.

Das Wuppertaler Institut für Klima und Energie hat erst kürzlich vorgerechnet, daß die Abbauvorhaben im Bereich Braunkohle nicht mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung übereinstimmen. Wird die geförderte Kohle verbrannt, läßt sich das Ziel einer 25- bis 30prozentigen CO2-Einsparung nicht mehr einhalten.

Leider kommen wir in Nordrhein-Westfalen nicht an der Braunkohleförderung vorbei. Natürlich muß man gleichzeitig alles tun, um den Energiebedarf zu reduzieren. Das müssen auch die ersten Bemühungen sein: rationelle Energienutzung und Reduzierung des Energiebedarfs.

Wie hoch schätzen Sie das Potential beim Energiesparen ein?

10 bis 15 Prozent sind problemlos sofort möglich. Doch selbst dieses Potential wird nicht aktiviert, weil die Energiepreise einfach viel zu niedrig sind.

In Nordrhein-Westfalen hat Wirtschaftsminister Günther Einert vor kurzem jedem Stadtwerk erlaubt, zur Förderung regenerativer Energien die Strompreise um bis zu ein Prozent zu erhöhen.

Sie meinen die kostendeckende Vergütung für Solar- und Windstrom. Ich rate den Städten und Stadtwerken, davon unbedingt Gebrauch zu machen. Das ist eine astreine Initiative der Landesregierung. Man stößt ja sonst oft auf das Vorurteil, daß regenerative Energien sich hier im Binnenland nicht lohnen. Das ist falsch. Durch die kostendeckende Vergütung werden diese Energien wirtschaftlich, was ein enormer Anreiz zum Einsatz von erneuerbaren Energien ist.

Reicht eine einprozentige Strompreiserhöhung denn aus, einen Anreiz zum Energiesparen zu geben?

Nein, ich glaube nicht, daß diese Strompreiserhöhung jemanden merkbar belastet.

Welchen Stellenwert hat die Windkraft in NRW?

1994 beispielsweise wurden mehr Windkraftanlagen gebaut als in den Jahren vorher. Das liegt erstens an der durch das Stromeinspeisungsgesetz vorgeschriebenen Vergütung für Windstrom und zweitens an der technischen Weiterentwicklung in den letzten Jahren. Dadurch ist die Windkraft an vielen Binnenlandstandorten schon wirtschaftlich.

In einigen Fällen zahlen Stromkonzerne die gesetzlich vorgeschriebene Mindestvergütung nicht mehr. Was kann eine Energieagentur gegen diese Selbstjustiz der Energieversorger unternehmen?

Da können Energieagenturen nicht viel machen, weil sie keine Funktion in der Gesetzgebung haben. Wir können nur warnen. Wir sehen diese Entwicklung – zurückhaltend formuliert – mit allergrößter Skepsis und höchst ungern. Es gibt eine große Verunsicherung für geplante Vorhaben.

Von den acht Energieagenturen in Deutschland verzichten nur Brandenburg und Nordrhein- Westfalen darauf, Banken und Energieversorgungsunternehmen als Gesellschafter aufzunehmen und ihnen damit ein Mitbestimmungsrecht zu geben. Halten Sie dies ...

...ich halte das für die sinnvollste und sauberste Lösung. Nur so können wir neutral und unabhängig beraten.

Ihre Energieagentur gibt es jetzt seit ziemlich genau fünf Jahren. Ist schon ein Rückgang des Energieverbrauchs in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen?

Der Energieverbrauch bleibt in etwa konstant – ein Trend, den wir seit 25 Jahren beobachten. Aber gleichzeitig ist das Bruttosozialprodukt steil gestiegen. Das heißt also, der Energieverbrauch ist spezifisch zurückgegangen.

Ich danke für das Gespräch.

Interview: Anne Kreutzmann

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