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Ökologen im Untergrund

■ Die Nutzung von Regen als Brauchwasser kann den Verbrauch von Trinkwasser erheblich reduzieren / Was die einen Behörden fördern, versuchen die anderen zu verbieten / Auf Eigenbauten verzichten

In Champagner zu baden gilt gemeinhin als leicht exzentrisch und eigentlich auch ein klein wenig dekadent. Als vollkommen normal gilt es hingegen, wenn man Trinkwasser zum Autowaschen benutzt. Die Werte und Normen der modernen Gesellschaft sind eben nur scheinbar von rationalem Kalkül geprägt. Dieses scheinbar rationale Kalkül besagte lange Zeit auch, daß über solch ein Thema nachzudenken nicht lohnt: Wasser ist billig, und die rund 150 Liter, die pro Person und Tag in deutschen Privathaushalten verbraucht werden, sind noch für Pfennigbeträge zu haben. Allerdings gilt die Faustformel, daß sich der Preis für einen Kubikmeter Wasser alle zehn Jahre mindestens verdoppelt. In der Industrie ist es mittlerweile üblich, beispielsweise leicht verschmutztes Brauchwasser für „untergeordnete“ Zwecke ein zweites oder gar drittes Mal zu verwenden – bei den ungeheuren Verbrauchsmengen eine ganz einfache Kosten-Nutzen-Rechnung.

Wie so oft folgen damit die Ökonomen den Ökologen. Die nämlich machen sich schon lange Gedanken darüber, wie man der Verschwendung des kostbaren Nasses begegnen kann. Doch während Wassersparklosetts und Durchflußbegrenzer inzwischen kein Thema mehr sind und eine Waschmaschine mit übermäßigem Durst ihrem Hersteller herbe Umsatzeinbußen beschert, ist der einfachste Weg des Wassersparens noch immer die Ausnahme: Waschautomaten, Toiletten und Gartenschläuche gar nicht erst an den Trinkwasserhahn anzuschließen und sich statt dessen die benötigte Flüssigkeit höheren Orts zu besorgen. An Niederschlägen herrscht in unseren Breiten schließlich kein Mangel.

Dabei hat Großvaters Regentonne inzwischen jede Menge komfortabler und praktischer Nachkommen. Eine moderne Regenwassersammelanlage arbeitet jahrelang nahezu wartungsfrei und ohne Komforteinbußen für die Benutzer. Das Prinzip ist einfach: Das Wasser wird vom Dach über die Regenrinne nicht in die Kanalisation, sondern in einen Tank geleitet und von dort in ein eigenes Leitungsnetz gepumpt, an das die Verbraucher angeschlossen werden. Natürlich müssen nicht nur die Wasserhähne durch deutliche Kennzeichnung und abnehmbare Griffe zum Beispiel vor durstigen Kindern gesichert werden. Das Leitungsnetz hat ebenfalls durchgehend markiert zu sein, damit auch nach Jahren oder gar Jahrzehnten die irrtümliche Schaffung von Querverbindungen ausgeschlossen bleibt. Denn soviel muß jedem klar sein: Regenwasser ist kein Trinkwasser.

Allein deshalb ist bei der Installation der im Prinzip so einfachen Anlagen große Sorgfalt geboten. Jürgen Schreiner, der sich für die „Ökologische Innovationstechnik“ in Bamberg mit Konzeption und Verkauf von Regen- und Brauchwasseranlagen befaßt, gibt denn auch allen Interessenten den dringenden Rat: „Bitte, plant eure Anlagen erst mal anständig!“ Zwar macht es für Eigenheimbesitzer nicht unbedingt Sinn, gleich ein Ingenieurbüro mit der Erstellung von Computersimulationen über Niederschlagserwartung, Verbrauchsentwicklung und daraus folgend die richtige Dimensionierung der Anlage zu beauftragen (entsprechende Software ist seit längerem auf dem Markt), doch die Konsultierung von Fachleuten mit praktischer Erfahrung hält nicht nur Schreiner für ein Muß. Punkt eins ist die Wahl der richtigen Komponenten. Filter beispielsweise, die Fremdkörper wie Laub, Moos und anderes zurückhalten, gibt es viele. Wer aber eines der seit einigen Jahren verfügbaren selbstreinigenden Geräte kauft (je nach Auslegung entweder Filtersammler oder Feinwirbelfilter), kann sich von vornherein eine Menge Ärger und Wartungsarbeit sparen. Auch bei der Wahl der richtigen Pumpen und der Regeltechnik dürfte ein Laie schnell überfordert sein, und Fehler bei Plazierung und Installation des Tanks können ohne den nötigen Sachverstand böse Folgen haben. Daß der unter Umständen tonnenschwere Sammelbehälter nicht auf den Dachboden, sondern in den Keller oder, noch besser, in die Erde vergraben gehört, leuchtet noch unmittelbar ein – schließlich soll das Wasser auch möglichst kühl gelagert werden, um Keimbildung zu verhindern. Doch damit sind längst nicht alle Schwierigkeiten im Griff: „Das wahre Problem bei der Regenwassernutzung“, so Jürgen Schreiner, „ist für mich die Rückstauebene“, also der höchste Pegel der Kanalisation. Wenn der Ablauf des Tanks unterhalb dieser Ebene liegt, kann bei starken Regenfällen und infolgedessen überlasteter Kanalisation Abwasser in den Tank zurückströmen, der ja ohnehin schon voll ist und deshalb überläuft – besonders unangenehm ist es dann, wenn er im Keller aufgestellt wurde. Sichert man hingegen den Ablauf mit einem Rückstauventil, kann auch das von oben aus der Dachrinne nachlaufende Regenwasser nicht mehr abfließen, und der Tank läuft ebenfalls über – dann allerdings wenigstens mit sauberem Wasser. Das Problem läßt sich zum Beispiel durch leichte Erhöhung des Aufstellungsorts oder Einbau einer Hebeanlage meistern, doch muß es dazu natürlich zunächst einmal erkannt sein.

Es sind deshalb gerade die Befürworter der Regenwassernutzung, die eine behördliche Kontrolle der Anlagen für durchaus sinnvoll halten. Die privaten Wassersparmaßnahmen sind nämlich nicht genehmigungspflichtig, in der Regel muß nur die Einleitung des Regenwassers in die Kanalisation den örtlichen Wasserwerken gemeldet werden. Spätestens dann kann es allerdings vorkommen, daß der Regenwasserfreund nicht nur technische, sondern auch juristische Beratung braucht. Weil die meisten Kommunen nach der Formel „Trinkwassermenge gleich Abwassermenge“ ihre Gebühren kassieren, verlangen viele Wasserwerke den Einbau einer Zähluhr im häuslichen Regenwasserleitungsnetz. Wenn sie schon bei der Versorgung weniger kassieren können, so offensichtlich der Gedanke, dann wollen sie einen Teil der Umsatzeinbußen wenigstens bei der Entsorgung wieder hereinbekommen. Wer dagegen sein Wasser aus der Regenrinne ungenutzt in den Kanal ablaufen läßt, darf dies in den meisten deutschen Kommunen kostenlos tun. Eine unsinnige Regelung, denn die mit zunehmender Flächenversiegelung ständig ansteigenden Regenwassermengen im Kanalsystem verringern den Wirkungsgrad der Kläranlagen und bringen sie bei starken Wolkenbrüchen sogar zum Überlaufen.

Viele Gemeinden sind unter anderem deshalb dazu übergegangen, die Ver- und Entsorgung von Wasser getrennt zu berechnen. Auch gibt es inzwischen, wie beispielsweise in Hessen, sogar Förderprogramme für den Bau von Sammelanlagen. Damit hat sich in Gegenden wie zum Beispiel dem Großraum Frankfurt, wo der Kubikmeter Wasser bereits an die 10 Mark kostet, die Investition in die Regenwassernutzung in absehbarer Zeit amortisiert – eine kleine Anlage ist schon für rund 5.000 Mark zu haben, hinzu kommen die Einbaukosten. Schließlich läßt sich so der tägliche Trinkwasserverbrauch – in Kombination mit weiteren Wassersparmaßnahmen – auf ungefähr 50 Liter pro Person reduzieren, die jährliche Einsparung beträgt mithin leicht einige hundert Mark.

Auf öffentliche Unterstützung kann man allerdings längst nicht überall rechnen, im Gegenteil: Noch immer versuchen viele Verwaltungen, die Regenwassernutzung für andere Zwecke als die Gartenbewässerung – also zum Betrieb von Waschmaschinen und Toiletten – zu untersagen. Zwar gibt es dafür keine rechtliche Grundlage, doch gerade Privatleute lassen sich leicht abschrecken. Schließlich werden sie mit einem hochrangigen Bedenkenträger konfrontiert: Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (hervorgegangen aus dem früheren Bundesgesundheitsamt) macht allenorts seinen Einfluß und schwerwiegende Vorbehalte wegen angeblich mangelnder Hygiene der Regenwasseranlagen geltend.

Richtig ist: Regenwasser erfüllt in aller Regel nicht die für Trinkwasser geltenden Vorschriften – obwohl sogar das hin und wieder vorkommt. Andererseits steht die Belastung mit Krankheitskeimen in keinem Verhältnis etwa zur Keimzahl in menschlichen Fäkalien. Somit spricht auch nichts gegen die Verwendung für die Toilettenspülung. Gleiches gilt für die Waschmaschine: Die Hamburger Wasserwerke wuschen versuchsweise Wäsche mit Trink- und mit Regenwasser und verglichen anschließend die Keimzahl. Die Werte waren praktisch gleich – vor allem aber lagen sie um ein Vieltausendfaches unter der Belastung der Schmutzwäsche.

Angesichts solcher Ergebnisse stoßen die bundesamtlichen Gegner der Regenwassernutzung auf immer härteren Widerstand. Schließlich haben sie es mit Enthusiasten zu tun. Alois Wilhelm von der Firma Wagner & Co, die Solartechnik und Regenwasseranlagen nicht nur verkauft, sondern sich auch mit einem eigenen Buchverlag für die Verbreitung der Ökotechniken stark macht, nennt drei Beweggründe, die seine Kundschaft zum Regenwasser treiben: wirtschaftliche Erwägungen, ökologisches Verantwortungsbewußtsein sowie den Autarkiegedanken („Ich habe mein eigenes Wasser“).

Allein deshalb empfiehlt auch Reinhard Holländer vom Bremer Landesuntersuchungsamt den Behörden, die Regenwassernutzung wenn schon nicht zu fördern, so doch zumindest zu dulden, „damit die Leute nicht in den Untergrund gehen“. Schließlich, so weiß er aus vielen Kontrollmessungen, haben die Betreiber von vernünftig konstruierten Anlagen dazu überhaupt keinen Grund. „Die Hygiene“, so sein Kommentar zu den Vorbehalten in vielen Amtsstuben, „wird vorgeschoben.“

Der Konflikt verläuft hin und wieder quer durch die Behördenfront. Beispiel Berlin: Hier wirbt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Informationsbroschüren für die Verwendung von Regenwasser, und zwar ausdrücklich auch bei Toilettenspülungen. Das Berliner Ingenieurkollektiv „Akut Umweltschutz“ hatte vor kurzem genau diese Verwendung für eine Kindertagesstätte im Sinn, doch das zuständige Gesundheitsamt machte Bedenken geltend. Begründung: Die Kinder könnten Wasser aus den Toilettenbecken trinken. Der Einwand, daß dies zwar nicht auszuschließen sei, aber wohl weniger häufig praktiziert werden dürfte, als einen kräftigen Schluck aus dem Schwimmbecken zu nehmen, verfing nicht. Die geltenden Grenzwerte der „Badegewässerverordnung“ werden von Regenwasseranlagen übrigens problemlos erfüllt.

Auch Großinvestoren kennen das Problem. „Die Gesundheitsämter“, weiß der Tübinger Architekt Joachim Eble, Spezialist für „ökologische“ Büro- und Gewerbegebäude, „blockieren zum Teil, aber das ist bundesweit sehr unterschiedlich.“ Eble setzt Regenwasser in seinen Bauten vor allem zur Pflanzenbewässerung sowie zur Kühlung und Befeuchtung der Raumluft ein.

Ganz ähnliche Pläne hat sein Kollege Herbert Dreiseitl, dessen Büro in Überlingen (Bodensee) für ein Neubauprojekt in Berlin ein Gesamtkonzept zur Regenwassernutzung entworfen hat. Vorgesehen ist neben Pflanzenbewässerung sowie der Speisung von Wasserspielen und künstlichen Seen auch die Verwendung in Toilettenspülungen. Den Berliner Genehmigungsbehörden liegt das Konzept noch nicht vor, auf ihre Reaktion darf man allerdings gespannt sein. Schließlich ist der Bauherr nicht irgendwer: Dreiseitl plant für das Daimler-Benz-Projekt am Potsdamer Platz. Jochen Siemer

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