Polizei prüft Verbot von heutiger Kurden-Demo

■ Innensenator Heckelmann rückt vom Begriff der Deeskalation ab. Bündnisgrüne werfen Polizei Fehler vor

Die Polizei prüft, ob die für heute abend 17 Uhr angemeldete Kundgebung zur Asyl- und Ausländerpolitik verboten wird. Staatssekretär Kuno Böse (FDP) sagte gestern auf Anfrage, daß die Kundgebung von einer gewerkschaftlichen Jugendorganisation angemeldet und bislang von der Polizei genehmigt sei. Seit Freitag mobilisiere aber überraschend auch ein „Unterstützungskomitee“ des Hungerstreiks, den 170 Kurden in der Zossener Straße in Kreuzberg durchführen. Mit dem Anmelder müsse nun geklärt werden, ob er das mögliche Umfunktionieren seiner Kundgebung akzeptiert. Der Polizei lägen bislang keine Erkenntnisse vor, daß die hungerstreikenden Kurden auf der Kundgebung Krawall provozieren wollten, sagte der Staatssekretär.

Böse betonte, daß Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) nicht mehr die Linie der Deeskalation verfolge. Dieser Begriff sei insbesondere nach den „Chaostagen“ in Hannover „ideologisch überfrachtet“. Auch künftig werde aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und nicht in jedem Fall etwa Fahnen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK beschlagnahmt, sagte der Staatssekretär. Eine Strafverfolgung sei auch hinterher mit Hilfe von Video- sowie Fotoaufnahmen möglich. Die Polizei ermittle konsequent gegen Täter.

An der heutigen Kundgebung werden hungerstreikende Kurden teilnehmen, kündigte gestern der Sprecher des Hungerstreik-Komitees, Zana Arslan, an. Wie viele der 170 Aktivisten zur Kundgebung am Fehrbelliner Platz vor Heckelmanns Amtssitz gehen werden, konnte Arslan nicht sagen: „Niemand wird zur Teilnahme gezwungen.“ Wann der Hungerstreik beendet wird, soll heute entschieden werden. In vergangenen Erklärungen war als letzter Tag der morgige Dienstag genannt worden, bestätigte Kreuzbergs Bürgermeister Strieder (SPD).

Vorwürfe gegen die Polizei erhob gestern der ausländerpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Ismail Koșan. Wenn die Polizei ihm am Freitag abend letzter Woche zehn Minuten mehr Zeit für Verhandlungen gegeben hätte, hätten die Hungerstreikenden das Eingangstor in der Zossener Straße freiwillig geöffnet. Bei seinem Gespräch soll bereits die Mehrheit der kurdischen Berliner für eine Toröffnung gewesen sein, nur die Wortführer hätten sich noch „hartnäckig und dickköpfig“ gezeigt. Bei der gewaltsamen Toröffnung wurden Polizisten aus dem Hof mit drei Molotowcocktails beworfen. Später hätten Kurden die Zuspitzung als „nicht richtig“ angesehen, sagte Koșan.

Der Abgeordnete erwartet für die heutige Kundgebung keine Gewalttätigkeiten. In Berlin gebe es sehr wenige PKK-Anhänger. Am Hungerstreik beteiligten sich die meisten deshalb, weil sie Kurden sind. „Die Stimmung ist gegen die Hardliner“, sagte Koșan. Sollten heute PKK-Fahnen gezeigt werden, sollte die Polizei diese nicht beschlagnahmen. Damit würde sie den Hardlinern mehr schaden. Dirk Wildt

Siehe auch Reportage auf Seite 4