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Routiniert und abgehärtet

Statt hysterischer Teenager warten geduldige Altfans vor dem Hotel der Stones. Nach vier Jahren sind die berüchtigten Rocker mal wieder in der Stadt  ■ Von Ole Schulz

Es ist ruhig vor dem Eingang des Kempinski in der Fasanenstraße. Einige englisch sprechende Männer wuseln um einen roten VW-Multivan herum. Sie gehören zum Team der Rolling Stones. Alle haben Handys in den Hüfttaschen, einer trägt ein T-Shirt mit „Woodstock 94“-Aufdruck. Ein anderer hat auf seiner Jeansjacke die Stones-Zunge angestickt. Auf dem Nummernschild des Wagens steht natürlich „WOB“, denn die Wolfsburger Volkswagenwerke sponsern die Tournee in Europa. Sonst deutet nichts darauf hin, daß die Rolling Stones in ihrem Stammhotel mit einem Troß von 100 Begleitern abgestiegen sind.

Nur eine handvoll Stones-Fans hat sich vor dem Kempinski versammelt, um einen Blick auf ihre Idole zu erhaschen – kein Vergleich zu dem Aufruhr vor dem Hilton, als vor einem Monat bekannt wurde, daß Take-That-Sänger Robbie die Gruppe verlassen hat. Das Hilton ist seit dem Take- That-Konzert im März eine Art Mekka für die Fans geworden. Täglich pilgern pubertierende Mädels hierher, um Robbies Ausstieg zu beweinen.

Vor dem Portal des Kempinski, das von einem schicken Portier in grauem Smoking und Zylinder bewacht wird, wartet Uwe Schmidt. Der 48jährige Installateur ist eingefleischter Autogrammjäger. Er hat schon über 6.000 Unterschriften von prominenten Musikern gesammelt. „Die neuen Stones interessieren mich eigentlich autogrammäßig nicht so sehr, weil sie nicht mehr in der Originalbesetzung spielen“, gibt er zu.

Aber die Stones sind halt „Kult“, und außerdem war er 1965 als Sechzehnjähriger bei dem legendären Stones-Konzert in der Waldbühne dabei. Damals hatten 21.000 hysterische Fans das Stadion völlig zertrümmert. Seine 25jährige Begleiterin Christine arbeitet als Sekretärin bei einer Plattenfirma. Sie hat schon häufig stundenlang vor dem Kempinski auf Pop-Größen gewartet – meistens vergeblich.

Was das Besondere an den Stones ist, können die beiden nicht sagen – nur das sie so lange durchgehalten haben und immer noch nicht bereit sind, freiwillig die Bühne zu verlassen, obwohl alle Bandmitglieder schon über ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben. Die Rebellen aus den sechziger Jahren sind inzwischen selbst bürgerlich geworden. Gestern hatten Mick Jagger und Charlie Watts eine Privataudienz im Pergamon-Museum, das am Montag eigentlich geschlossen ist.

Mick-Jagger-Fan Jörg Hahnemann glaubt trotzdem, daß die Stones immer noch eine politische Band sind. Der 31jährige Schwimmeister hat bereits drei Konzerte der aktuellen „Voodoo Lounge“- Tournee gesehen und kennt das Konzertprogramm schon auswendig. „Die spielen noch immer Songs wie ,Street Fighting Man‘. Außerdem sind sie mit Václav Havel befreundet“, so Hahnemann.

Gegen ein Uhr nachmittags werden die Ausharrenden langsam nervös. Denn die Stones sollen am Abend noch in Leipzig auftreten und bislang ist keiner von ihnen gesichtet worden. Vielleicht haben sie sich ja doch durch die Tiefgarage aus dem Staub gemacht, wird vermutet. Dann hat man mal wieder umsonst gewartet.

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