■ Standbild: Teleshopping
„Freestyle“, Montag, 22.00 Uhr, Viva
„Locking for a masterplan, but there's nothing but sweat inside my hand“, lautet eine tolle Zeile aus dem Hiphop-Klassiker „Paid in full“ des New Yorker Duos Erik B. & Rakim. In Deutschland scheint es umgekehrt zu sein: Wer die öde HipHop- Sendung „Freestyle“ auf Viva sieht, kriegt den Eindruck, daß deutsche Rap-Fans zwar in ihren Händen Geldbündel halten, aber dafür überhaupt keinen Plan haben.
Rapmusik, die Chuck D. von Public Enemy einmal „das schwarze CNN“ genannt hat, wird bei „Freestyle“ zum Soundtrack für weißes Teleshopping: Unaufhörlich wedeln die beiden Moderatoren Schiffmeister und Storm mit Platten, Flyern, Videos und Kassetten vor der Wackelkamera herum, am besten wird gleich noch die Bestelladresse eingeblendet, und alles ist „phett“, bekommt „props“ und, hey, nach dieser Supersingle „warten alle schon auf das Album“. Bestellen Sie jetzt!
Was für eine jämmerliche Schau das ist, weiß jeder, der einmal gesehen hat, mit welcher Coolness sich Ed Lover und Fab 5 Freddy bei „Yo! MTV Raps“ unter Mißachtung sämtlicher Studiogäste die Bälle und die Rhymes zuspielen. Nun wäre es vielleicht etwas viel verlangt, würde man erwarten, daß zwei deutsche Doobie Brothers es mit diesen beiden in Ehren erwachsen gewordenen HipHop- Legenden aufnehmen können. Aber etwas weniger doof ginge es dann vielleicht doch.
Den Studiogästen Walking Large aus Wuppertal stellt ein Jungmoderator die brillante Frage, wieso denn in ihrem Video die Wuppertaler Schwebebahn vorkomme. Die naheliegende Antwort von Rapper Ono, daß die Schwebebahn nun mal das Außergewöhnlichste in Wuppertal sei, stellt ihn nicht zufrieden. „Ist die denn wirklich so was Besonderes?“ insistiert er knallhart, bevor Walking Large dann wieder die üblichen Tourneedaten und Plattenpläne herunterbeten dürfen.
Eigentlich schade, daß die Moderation von „Freestyle“ so spießig ist, denn die Video-Auswahl von Dirk Scheuring ist zwar etwas Gangsta-Rap-lastig, aber ansonsten okay. Und die Berliner Produktionsfirma Weltbild, die „Freestyle“ macht, hat für ihre „Lost in Music“-Serie vollkommen zu Recht einen Grimme-Preis bekommen. „Freestyle“ wirkt dagegen ziemlich kaninchenzüchtervereinmäßig. Tilman Baumgärtel
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