■ Erstmals ist es Greenpeace gelungen, auf dem Tiananmen-Platz im Zentrum Pekings gegen die chinesischen Atomwaffentests zu demonstrieren. Nach einer Minute waren alle festgenommen und die Transparente einkassiert
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Erstmals ist es Greenpeace gelungen, auf dem Tiananmen-Platz im Zentrum Pekings gegen die chinesischen Atomwaffentests zu demonstrieren. Nach einer Minute waren alle festgenommen und die Transparente einkassiert

Dem Drachen in die Suppe gespuckt

Wenige Tage bevor Zehntausende BesucherInnen zur Pekinger Weltfrauenkonfenz anreisen werden, hat Greenpeace in China erstmals eine internationale Demonstration durchgeführt.

Sechs Greenpeace-AktivistInnen, darunter der zukünftige Geschäftsführende Direktor von Greenpeace International, Thilo Bode und die Greenpeace-RepräsentantInnen von Rußland und Frankreich, Penelope Komites und Sascha Knorre, entfalteten unter dem Porträt des verstorbenen Vorsitzenden Mao Tsetung am Tiananmen-Platz ein fünf Meter langes Banner, auf dem die chinesischen Atomtests verurteilt werden. Das Transparent, das innerhalb einer Minute von zivil gekleideten Polizisten weggerissen wurde, forderte auf chinesisch und englisch „Stoppt alle Atomversuche!“ und zeigte das Bild einer Atombombe, die mit einem großen X durchkreuzt war. Auf dem Banner standen auch die Namen der fünf wichtigsten Nuklearmächte: USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und China. In einer Erklärung forderte Bode vor allem von den beiden Atommächten China und Frankreich, ihre geplanten Atomversuche abzusagen und sofort einen Vertrag über den Stopp sämtlicher Atomversuche zu unterzeichnen.

Nach Auskunft von Greenpeace wurden alle sechs sofort festgenommen und abgeführt. Polizisten versuchten vor allem, Fotos der Aktion zu verhindern. Selbst zufällig anwesenden Touristen seien die Filme aus den Kameras gerissen worden. Von den zehn ebenfalls vorübergehend festgenommenen ausländischen Journalisten wurden zuletzt noch zwei Fotografen festgehalten. Dies war der erste Protest dieser Art, den Greenpeace in China veranstaltet hat. Nach Informationen der Gruppe sind auch Flugblätter verteilt worden.

Die Anti-Atom-Demonstration wird in Peking als Auftakt unruhiger Wochen gewertet, in denen mehr als 30.000 Aktivistinnen, JournalistInnen und Delegierte der UNO-Frauenkonferenz und des parallel laufenden Forums der regierungsunabhängigen Frauengruppen in Peking für internationale Präsenz sorgen werden.

Weil sie mögliche Proteste der unabhängigen Gruppen fürchtet, hat die Regierung in letzter Minute den Veranstaltungsort des Forums an den Pekinger Stadtrand verlegt. In den vergangenen Tagen haben die Behörden ein Kampagne gegen die Kriminalität gestartet und eine Reihe von Beschränkungen verhängt, um die Bevölkerung verstärkt zu kontrollieren. „Nach dieser Aktion wird die Regierung noch nervöser über die Ankunft all dieser AKtivistinnen sein“, meint ein westlicher Diplomat in Peking. „Wir haben unsere Transparente und Flugblätter schon vorbereitet“, sagt eine britische Teilnehmerin des alternativen Forums.

Der Fehdehandschuh, den Greenpeace der Regierung genau vor dem Tor des Himmlischen Friedens – jahrhundertelang Symbol der kaiserlichen Macht in China und in den vergangenen Jahren das Zentrum regierungskritischer Demonstrationen – hingeworfen hat, macht zugleich das Dilemma deutlich, in dem sich die Regierung mit Herannahen der Frauenkonferenz befindet. 1989 haben Millionen ChinesInnen auf dem Tiananmen-Platz für mehr politische Öffnung und ein Ende der politischen Korruption demonstriert, bevor das Militär die Proteste blutig niederschlug. Penelope Komites, die festgenommene Geschäftsführerin von Greenpeace Frankreich, sagte, daß die Organisation den Protest zeitlich so geplant hat, daß er mit einem erwarteten erneuten Atomtest zusammenfällt. Bei dem bevorstehenden Test will China neue leichte und wirkungsvollere Sprengköpfe in der Provinz Xinjiang im chinesischen Nordwesten testen. Nach Informationen von Greenpeace verfügt China über ein nukleares Arsenal, dessen Sprengkraft 16.000mal größer ist als das der Atombombe, die über Hiroshima gezündet wurde. Die chinesische Regierung weigert sich, ihre Atomtests einzustellen, bis das umfassende Verbot in Kraft ist. Allerdings hat sie sich bereit erklärt, dem bestehenden Teststoppabkommen in der Praxis Folge zu leisten. „Wir glauben, daß sie [die chinesische Regierung; d. Red.] eine Führungsrolle in der internationalen Gemeinschaft übernehmen muß, indem sie die Atomversuche beendet“, sagte Greenpeace-Sprecher Damon Moglen.

Wie Greenpeace erklärte, ist die Organisation seit langem über das chinesische Atomprogramm besorgt, doch hat sie es bislang nicht geschafft, daß ihre Mitglieder nach China einreisen können. Die Bundesregierung ihren Botschafter in Peking angewiesen, gegen die Festnahme der deutschen Greenpeace-Mitarbeiter zu protestieren und deren sofortige Freilassung zu verlangen. Sheila Tefft, Peking