■ Kultur des Dialogs: Weidedamm: Gewoba- Brief „widerwärtig“
„Durchaus widerwärtig“ finden „einige BewohnerInnen“ des Weidedamm die Zettel, die die Gewoba in der vergangenen Woche ausgehängt hatte. Die Baugesellschaft verlangt die Räumung des Geländes bis zum 17. September (vgl. taz 15.8.). Die Zettel „erinnerten stark an Schulausflugsanmeldungen“, was die BewohnerInnen, wie sie der Gewoba jetzt antworteten, „sehr erheiternd gefunden hätten, wenn sich die Situation für uns durch Ihre Dreistigkeit nicht zugespitzt hätte“.
In dem Schreiben der Gewoba war verlangt worden, daß die BesetzerInnen bis zum 25. August eine Erklärung unterzeichnet zurückschicken, in der sie ihren freiwilligen Abzug „unwiderruflich“ erklären. Für die BesetzerInnen ist die Unterzeichnung des Ultimatums ausgeschlossen. In ihrem Schreiben, das ironisch an die bürokratische Sprache er Gewoba nachahmt, stellen die BesetzerInnen fest, sie fühlten sich „in ihren kurz- und mittelfristigen Lebenskonzepten gestört“. Im Herbst 1994 hatte die Gewoba schon einmal mit einer Räumung gedroht, die dann aber nicht erfolgte. Einige, schreiben die BesetzInnen, hätten damals die Räumungs-Drohung ernst genommen und sich um anderen Wohnraum bemüht, obwohl dies eben nicht notwendig gewesen wäre.
Die BesetzerInnen weisen die Gewoba darauf hin, daß die Bagger erst unmittelbar „vor dem tatsächlichen Baubeginn“ das Gelände abräumen dürfen, für die Beseitigung der gewachsenen Natur aber müsse die Vegetationsperiode respektiert werden. Die BesetzerInnen fordern zudem einen Einblick in die aktuellen Bebauungspläne. Aufgrund der zögernden Nachfrage hatten die Baufirmen ihre Planungen für den Weidedamm in den letzten Monaten eher gestreckt.
Weil die Gewoba durch die Räumung eine „Misere unserer Wohn- und Lebensqualität“ herbeiführen würde, solle sie eine „angemessene, bewohnbare, stadtnahe Fläche für die verbliebenen BewohnerInnen“ bereitstellen. „Dies beinhaltet für uns auch die Bereitstellung von Holzbauwagen für die noch in den Häusern lebenden BewohnerInnen.“
Bis zum 24. August 95 erwarten die WeidedammerInnen gemeinsam mit dem Verein Kwelle e.V., der von einigen der BewohnerInnen in der Erwartung auf Ersatzwohnfläche gegründet wurde, ein Angebot für einen Gesprächstermin. „Hinzuweisen bleibt unsererseits noch darauf, daß wir es als Selbstverständlichkeit betrachten, daß Ihrem Antwortschreiben eine schriftliche Rücknahme des Ultimatums beigefügt ist.“
Einige der BesetzerInnen erklärten gegenüber der taz, daß sie jetzt schon bei Bauern in der Umgebung nach geeigneten Flächen für ihre Bauwagen suchen würden. Die Suche gestalte sich aber schwierig. hei
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