Nicht mehr Gottes Lotse

■ Ein Lehrer will seinen Schüler nicht länger den Weg ins Gotteshaus weisen. Er klagt.

Zu Beginn und am Ende eines Schuljahres dürfen bayerische Schüler einen Gottesdienst genießen. Die Teilnahme ist freiwillig, aber außerhalb der Großstädte wagt kaum ein Schüler, darauf zu verzichten. Von den Lehrern wurde bislang erwartet, die Schäfchen zumindest vom Klassenzimmer bis zum Kirchenportal zu bringen. Gegen diese Vorgabe klagt jetzt ein bayerischer Lehrer: Christoph Wolf aus Diedorf im Regierungsbezirk Bayerisch-Schwaben will auf diese Hirtenfunktion verzichten. Er darf als Beamter dazu keine Stellung beziehen. Statt seiner begründet Gerhard Rampp vom Bund für Geistesfreiheit, die Klage.

taz: Hat Ihnen das Kruzifix-Urteil Mut gemacht?

Gerhard Rampp: Vom Verwaltungsgericht hat unser Lehrer schon in einer Eilentscheidung recht bekommen: Es gebe keine Pflicht, die Schüler zur Kirche zu begleiten, sagten die Richter vor gut einem Jahr.

Doch die Regierung von Schwaben, die für die Schulaufsicht zuständig ist, hat danach eine Verordnung verfaßt, die die Begleitung wieder vorsieht. Dagegen hat Herr Wolf nun geklagt. Denn uns geht es darum, daß kein Zwang herrschen darf, daß ein Lehrer seine Schüler zum Gottesdienst bringen muß. Ein paar Jahre vorher, 1989, waren die Vorschriften sogar noch drastischer: Damals hatte die Regierung von Schwaben die Lehrer sogar verpflichtet, am Gottesdienst teilzunehmen. Als diese Anweisung kam, haben wir im bayerischen Kultusministerium angefragt, ob das korrekt sei. Die Antwort des wirklich nicht unkatholischen Ministeriums: Nein.

Das klingt ja so als seien die schwäbischen Schulbeamten noch kirchenfreundlicher als die anderen in Bayern.

Das hängt sicher damit zusammen, daß in der Schulbürokratie hier die „Katholische Erziehergemeinschaft“ den Ton angibt. Das ist eine Lehrerorganisation, die wie die GEW etwa zehn Prozent der Volksschullehrer erfaßt – doch erheblich mehr Einfluß hat. So ist das gesamte Schulamt in Bayerisch-Schwaben in den oberen Etagen von deren Mitgliedern durchsetzt, die oft gleichzeitig aktiv in der CSU sind. Dieses dichte Netz sorgt dafür, daß der Einfluß der Kirchen erhalten bleibt.

Dann sind Sanktionen für „Abweichler“ entsprechend hart?

Sicher. So soll jetzt eine Kollegin von Herrn Wolf, die nach Ansicht der Schulleitung seine Ansichten unterstützt, nach 21 Jahren versetzt werden. Ihre neue Schule wäre dreißig Kilometer weiter weg, was nach unserer Ansicht eine Art Strafversetzung wäre. Auch hier zeigt sich wieder, daß in den Schulbehörden keinerlei Verständnis für die Meinung von Minderheiten vorhanden ist. Interview: Felix Berth