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„Eventuell reisen wir frühzeitig ab“

■ Interview mit Irmingard Schewe-Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der Grünen

taz: China mißachtet die Menschenrechte und verstärkt kurz vor der UN-Weltfrauenkonferenz Repressalien im Lande. Es testet Atomwaffen und feuert Raketen ins Südchinesische Meer. Warum boykottieren die Grünen die Weltfrauenkonferenz nicht?

Irmingard Schewe-Gerigk: Ich bin der Meinung, daß ein Boykott nur dann einen Sinn macht, wenn möglichst viele ihm folgen. Nur so wird es auch für die chinesische Regierung spürbar. Es schadet sonst nur der Konferenz, wenn dort die kritischen Stimmen fehlen. Wir haben nicht genügend Frauen gefunden, die boykottieren. Daraufhin haben wir die Frauenministerin Nolte aufgefordert, sich für eine Verlegung der Konferenz einzusetzen – ohne Erfolg. Wir wollen nach Peking fahren, weil man öffentlich kritisch auf die Verletzung von Menschenrechten hinweisen muß.

Ist diese Entscheidung bei den Grünen diskutiert worden?

Die Fraktion ist ja noch in der Sommerpause. Wir haben unter den anwesenden Frauen entschieden. Dafür haben wir mit Außenpolitikerinnen und Vertreterinnen von regierungsunabhängigen Organisationen (NGO) gesprochen. Die haben uns darum gebeten, nach Peking zu fahren, um mit unserem Status als Abgeordnete den Protest wirksamer und auch sicherer formulieren zu können.

Hat sich die grüne Basis zu dem Thema geäußert?

Leute haben angerufen und uns geschrieben. Sie haben Verständnis für unsere Position.

Was genau wollen Sie in Peking erreichen?

Wir haben geplant, eine Veranstaltung bei den NGOs durchzuführen, höchstwahrscheinlich zum Thema Menschenrechtsverletzungen. Wir wollen mit chinesischen DissidentInnen reden, wir wollen Abtreibungskliniken besuchen. Inwieweit uns das alles gelingen wird, wage ich noch nicht klar zu sagen. Aber man muß vor Ort sehen, was sich durchsetzen läßt.

China hat Proteste bisher immer ignoriert.

Ich erwarte nicht, daß die offizielle chinesische Presse über unsere Kritik berichten wird. Aber es werden sehr viele Journalisten dasein, so daß die Weltöffentlichkeit eindeutig auf die Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht wird.

Wie werden sich die Grünen von der Politik der Delegationsleiterin, Ministerin Nolte (CDU), absetzen?

Frau Nolte wird in ihrer kurzen Rede hoffentlich auf die Menschenrechte hinweisen. Wir haben sie darum gebeten, auch über die weiblichen Babies zu sprechen, die dort unter grausigen Bedingungen zu Tode kommen. Als Parlamentarierinnen können wir nicht direkt an der Regierungsdelegation teilnehmen. Daher werden wir fünf bündnisgrünen Frauen auf der NGO-Konferenz auftreten. Wenn wir auch dort keine Möglichkeit haben, unseren Protest zu äußern, müssen wir vielleicht eine andere Entscheidung treffen.

Welche zum Beispiel?

Wenn wir uns in Peking gar kein Gehör verschaffen können, werden wir eventuell vorzeitig abreisen. Interview: Pierre Van Hoeylandt

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