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Debatte hinter verschlossenen Türen

■ Türkische Politiker und Generäle erwägen eine neue Kurdenpolitik

Istanbul (taz) – Von einem Wandel in der staatlichen Kurdenpolitik der Türkei kann nicht die Rede sein. Seit über einem Jahrzehnt versucht der türkische Staat, mit militärischer Gewalt den kurdischen Aufstand niederzuschlagen. Die kurdische Guerilla PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) – Mitte der achtziger Jahre noch eine unbedeutende linksextremistische Splittergruppe – genießt heute in weiten Teilen der kurdischen Bevölkerung der Türkei Ansehen. Das Vorgehen des Staates gegen die Guerilla wurde von Jahr zu Jahr brutaler. Über 20.000 Menschen starben im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Guerilla und türkischer Armee. Von den Herrschenden unbehelligt, betreiben Todesschwadrone ihr dreckiges Geschäft. Hunderte Menschen, hauptsächlich politisch aktive Kurden, fallen jährlich den Todeskommandos zum Opfer.

Kritiker der staatlichen Politik sind der Verfolgung seitens der politischen Justiz ausgesetzt. Mit dem Image der eisernen Lady – die Partei des rechten Weges druckte einst Wahlplakate der türkischen Ministerpräsidentin mit einem Stahlhelm auf dem Kopf – versuchte Tansu Çiller Stimmen zu fangen. Sie ließ sich als Heldin feiern, weil sie die kurdischen Abgeordneten der Partei der Demokratie vom Parlament ins Gefängnis beförderte.

Doch sowohl den Politikern als auch den Generälen ist klar, daß sie die propagierte „totale Vernichtung der PKK“ mit militärischen Mitteln nicht erreichen werden. Klammheimlich hält sich der türkische Staat auch andere Optionen offen, um den Konflikt zu beenden. Die Entwicklungen im Nahen Osten und in Irland sind den Beratern im Regierungsapparat nicht entgangen. Ein Waffenstillstand oder Friedensschluß zwischen dem türkischen Staat und der PKK erscheint heute noch wirklichkeitsfremd und abwegig.

Doch zumindest langfristig will man sich auch diese Möglichkeit offenhalten. Während der türkische Staat Intellektuelle, die als Basis für eine friedliche politische Lösung des Konfliktes eine freie Diskussion über den Konflikt fordern, strafrechtlich verfolgt, ist die freie Rede und Meinung bei den geheimen Beratungen der Regierungsspitze, wo Politexperten und Generäle reden, zugelassen. Da darf sogar hinter verschlossenen Türen das Gedankenspiel einer türkisch-kurdischen Föderation vorgetragen werden.

Der Chef der türkischen Handels- und Börsenkammer, Yalim Erez, ist der politische Intimus der Regierungschefin. Der stramm konservative Erez war Auftraggeber einer aufsehenerregenden Studie des Wirtschaftsverbandes TOBB, die der Politikwissenschaftler Dogu Ergil erstellte und die in den vergangenen Wochen meistdiskutiertes innenpolitisches Thema war. Die repräsentative Studie, die schlicht Realitäten in Kurdistan referierte, fordert eine grundlegende Reform der Staatspolitik. Ministerpräsidentin Çiller schwieg sich während der heftigen Auseinandersetzungen um die Studie, in welchen Autor Dogu Ergil als „PKK-Mann“ beschimpft wurde, aus. Weder griff sie die Studie, die kulturelle Autonomie für Kurden fordert, an, noch verteidigte sie die Untersuchung. Doch die wochenlange Debatte hat ihren Zweck erfüllt – als Testballon für die Politiker über die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft. Ömer Erzeren

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