: Chiracs Weinflasche zielsicher liquidiert
■ Britische AtomtestgegnerInnen mobilisieren mit schwarzem Humor
Berlin (taz) – Das hätte es in der deutschen Friedensbewegung wohl nicht gegeben. Britische AtomtestgegnerInnen ließen ein Video produzieren, in dem ein Scharfschütze auf Herz und Unterleib des französischen Präsidenten zielt, letztlich aber nur seine Weinflasche liquidiert (siehe nebenstehenden Bildtext). Der Spot, der zum Boykott französischen Weins aufruft, soll demnächst in möglichst vielen britischen Kinos gezeigt werden. Derzeit unterliegt er noch einer Routinepüfung der britischen Filmklassifikationsbehörde. Die Nuclear Test Ban Coalition sammelt bis zur Freigabe Spenden, um eine möglichst weite Verbreitung des Videos zu gewährleisten. Im Bündnis der britischen AtomtestgegnerInnen sind achtzehn Gruppen zusammengeschlossen, darunter der National Peace Council und die Campaign for Nuclear Disarmement (CND).
Die Idee zu diesem Spot hatte die Werbeagentur „media natura“, die ihn auch kostenlos produzierte. Die Agentur, die häufig für Greenpeace und andere Umweltorganisationen arbeitet, kam von sich aus mit einem fertigen Konzept auf die Test Ban Coalition zu, weil sie etwas gegen Chiracs Atomtestpläne beitragen wollte. „Wir haben dann sehr lange diskutiert, ob wir das machen können“, erinnert sich Danny Thompson, der Sprecher des Bündnisses, „immerhin sind viele beteiligte Gruppen strikt pazifistisch eingestellt. Aber als wir das Endprodukt gesehen haben, waren alle begeistert. Es ist einfach perfekt und sehr wirkungsvoll.“
Gestern abend wurde das Video in der ZDF-Nachrichten-Sendung heute präsentiert. Für deutsche Augen ist es durchaus harter Tobak. Immerhin hält der eingangs gezeigte Scharfschütze keine Wasserpistole in der Hand, sondern ein Präzisionsgewehr. „Ich finde, es ist ein lustiges Video“, entgegnet Thompsons. „Natürlich ist es auch reißerisch, aber die Leute, die es sehen, sind britischen Humor gewöhnt.“ Thompson findet die Kritik scheinheilig: „Wir hätten natürlich auch ein Video drehen können, das Konsumenten zeigt, wie sie französische Waren im Supermarkt liegen lassen, aber das wäre wohl einer der langweiligsten Filme der Geschichte geworden.“ Bisher wurde das Video lediglich einmal öffentlich gezeigt. Bei einer Pressevorführung am Montag hatten die TestgegnerInnen jedenfalls die LacherInnen auf ihrer Seite. „Selbst französische Journalisten fanden das lustig“, erinnert sich CND-Vertreterin Clare Benjamin.
Gestern am späten Abend konnte Benjamin testen, ob auch die französische Bevölkerung Geschmack an britischem Humor finden kann. Radio France lud sie zu einer einstündigen Live-Diskussion mit dem Vorsitzenden des französischen Weinbauernverbandes ein. Die Winzer sind natürlich wenig begeistert, daß sie von den britischen FriedensfreundInnen quasi in ökonomische Geiselhaft genommen werden. Gegen französische Winzer richten sich auch andere Aktionen der Nuclear Test Ban Coalition. So wird etwa vor Supermärkten französischer Wein in den Gulli gegossen oder eine übergroße Weinflasche aufgestellt, auf deren Ettikett vor explosivem Wein gewarnt wird.
„Es ist schon richtig, wie es im Video gesagt wird: Wir müssen die Franzosen dort treffen, wo es am meisten weh tut, und das ist die französische Wirtschaft“, rechtfertigt Clare Benjamin, um politisch korrekt sofort zu betonen, daß sich die Aktion natürlich nur gegen Chirac, nicht gegen das französische Volk richtet. „Wenn Chirac die Tests absagt, dann werden wir alle mit französischem Champagner feiern.“ Sie erinnert daran, daß die britische Atomtestkoalition mit einem großen Blumenbouquet gratulierte, als Mitterrand 1992 das französische Atomtestmoratorium ankündigte. Christian Rath
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