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Aufpasser in den Wiesen

■ Bremen hat als letztes Bundesland nun ebenfalls NaturschutzwächterInnen berufen; die sollen aber nicht nur schimpfen, sondern SpaziergängerInnen vor allem informieren

Ein Geier, ein Reiher – oder was steht da Schwarzes auf der Insel im Naturschutzgebiet Neue Weser? Bislang blieben SpaziergängerInnen allein mit solchen Fragen. Schon ab Sonntag allerdings könnte es sein, daß ein honoriger älterer Herr auf die Ratlosen zugeht, ihnen gar sein Fernglas leiht und von den „Kormoranen da drüben auf der Brutplattform, die eigentlich für die Flußseeschwalben gedacht ist“ erzählt. Wenn die verdutzten SpaziergängerInnen dann ihren Blick an des Mannes beiger Outdoor-Weste mit den mindestens zehn Taschen hochwandern lassen, entdecken sie ein Emblem: „Naturschutzwacht Bremen“.

Gestern hat die Bremer Umweltschutzbehörde acht Männer und eine Frau zu MitarbeiterInnen der „Naturschutzwacht“ berufen, also zu WächterInnen der 14 Bremer Naturschutzgebiete. Nicht alle sind in Naturschutzgruppen organisiert, doch alle bringen profunde Naturkenntnisse mit. (Gerold Janssen übrigens hütet, wie sollte es anders sein, das Hollerland.) Der „Job“ ist ehrenamtlich, vom Senator gibt es nur eine monatliche Aufwandsentschädigung von 150 Mark. Bremen richtet damit als letztes altes Bundesland eine solche Naturschutzwacht ein. Vorbild sind die Rangers, die in den amerikanischen Nationalparks Wache schieben.

Gibt es in Bremen jetzt also eine Naturschutzpolizei? Nein, nein, nein, widerspricht Michael Werbeck vom Umweltsenator vehement, „nein, wir wollen die Menschen nicht aussperren, sondern ihnen vielmehr zeigen, was für phantastische Naturschutzgebiete sie ganz nah an ihren Wohngebieten haben“. Die WächterInnen sollen in erster Linie informieren, Ansprechpartner sein, „einfach da sein“.

Jutta Malla (63) allerdings wird wohl schon des öfteren SpaziergängerInnen ermahnen müssen, doch bitte den Hund an die Leine zu nehmen und sich doch bitte nicht ins Gras zu legen, weil das die brütenden Vögel durcheinanderbringt. Denn Jutta Malla ist zusammen mit dem Biologiestudenten Jens Dittmann (27) zuständig für die Wümmewiesen – und die sind heiß begehrt als Rastplatz bei Vögeln wie Menschen. Jutta Malla wird ihre geforderten mindestens 20 Stunden monatlich deshalb vor allem an den Wochenenden im Gebiet verbringen – wenn der „Freizeitdruck“ sich verstärkt.

Hoheitliche Befugnisse haben die WächterInnen allerdings nicht. Weder können sie Personalien feststellen, noch das Rumliegen im Gras verbieten. „Vielleicht ist das für mich ja ganz gut so“, grinst der pensionierte Polizeibeamte Dieter Klimpt, der schon als Kind Tiere fotografierte und jetzt zuständig ist für das Naturschutzgebiet Neue Weser, „ich war ja immer verpflichtet zum Eingreifen, immer unter dem Druck, gleich eine Anzeige zu schreiben“. Wenn auch nicht polizeiliche Kompetenzen, so wünschen sich die WächterInnen doch Funkgeräte. Schließlich berichteten niedersächsische KollegInnen, daß sie schon mal von Hundebesitzern angegriffen werden oder von betrunkenen Campern.

Aber daran denken die neun kernigen BremerInnen nur kurz, viel lieber studieren sie die Tierwelt. Der Kormoran links außen auf der Rastinsel zum Beispiel, der mit ausgebreiteten Schwingen in der Sonne sitzt und genüßich den Hals reckt – der trocknet sich. Wieso das denn? Na weil er im Unterschied zu Enten kein eingefettetes Gefieder hat, also nach jedem Tauchgang trocknen muß.

Rund 70 Kormorane hat Dieter Klimpt in seinem kleinen Naturschutzgebiet gezählt. Der Vogel war in Deutschland schon mal ausgestorben – weil er als Fischschädling gejagt wurde. In Bremen rasten Kormorane seit wenigen Jahren auch auf dem Klöcknergelände. Dort sind auch Nester gesichtet worden – allerdings alle leer. „Die Bremer Kormorane sind noch nicht brutfähig, die üben das grad erst, das Nesterbauen“, erzählt der Naturschutzwächter Dieter Klimpt und muß schon wieder mit dem Kollegen fachsimpeln. cis

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