: Jupp klagt Solidarität ein
■ Frankreich erwägt, wegen Boykottdrohungen die WTO anzurufen / Japan streicht Hilfen für China / WissenschaftlerInnen warnen vor neuen Atommächten
Paris (AFP/dpa/taz) – Mehr als 2.300 WissenschaftlerInnen aus 29 Ländern haben einen Appell gegen die Wiederaufnahme von Frankreichs Atomversuchen unterzeichnet. In dem Schreiben, das gestern in Paris vorgestellt wurde, wird Staatspräsident Jacques Chirac aufgefordert, auf die neue Testserie auf dem Moruroa-Atoll zu verzichten. Insbesondere warnen die Wissenschaftler vor der Gefahr, daß durch das neue Versuchsprogramm andere Staaten verleitet werden, selbst in den Besitz von Atomwaffen zu kommen. „Die Wiederaufnahme der Versuche ermutigt alle Länder, die politische Autorität und militärische Macht gleichsetzen. Deshalb ist es lebenswichtig, daß alle Versuche eingestellt werden.“ Unterzeichnet wurde der Appell unter anderem von 1.300 WissenschaftlerInnen aus Frankreich und 230 WissenschaftlerInnen aus Deutschland.
Aber Regierungssprecher François Baroin sagte auch gestern wieder, daß es bei der Versuchsserie bleiben werde. Frankreich werde entschieden gegen alle Boykottdrohungen vorgehen und möglicherweise auch die Welthandelsorganisation (WTO) einschalten. Frankreichs Premierminister Alain Juppé bezeichnete sich selbst als „entrüstet“, daß es wegen der geplanten Atomtests in der Europäischen Union „eine gewisse Zahl von Boykottkampagnen“ gibt. Dieser Boykott französischer Produkte laufe „allen Regeln der Union“ gänzlich zuwider, „die befreundete und solidarische Länder vereinen sollte“, sagte Juppé am Dienstag abend im französischen Fernsehsender TF1. Die französischen Atomversuche seien „völlig unschädlich für die Umwelt und für die Bevölkerung“, beteuerte Juppé. Die „große Mobilisierung“ gegen die Tests sei zum Teil auf „Hintergedanken oder kommerzielle Erwägungen“ zurückzuführen. Zur Protestflotte der Atomtestgegner vor Moruroa meinte der Premier, Frankreich suche nicht die Konfrontation: „Ich hoffe, daß niemand die Konfrontation sucht.“
Aber auch China, das erst kürzlich zwei Atombomben gezündet hat, gerät weiter unter Druck. Die japanische Regierung beschloß am Dienstag, wegen der fortdauernden chinesischen Atomversuche den größten Teil seiner nichtrückzahlbaren Finanzhilfen an Peking einzufrieren. Nur Zuschüsse für humanitäre Zwecke sind ausgenommen. Der Schritt bedeutet, daß Peking in diesem Finanzjahr von Tokio nur 500 Millionen Yen (knapp 7,5 Millionen Mark) gegenüber 7,85 Milliarden Yen (120 Millionen Mark) an nichtrückzahlbaren Zuschüssen erhalten wird. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Chen Jian, verurteilte die japanische Maßnahme und warnte vor einer Verschlechterung der Beziehungen. Anstatt zum 50. Jahrestag des Kriegsendes im Pazifik in sich zu gehen und sich für die Kriegsverbrechen in Asien zu entschuldigen, mache Japan eine große Sache aus den Atomversuchen.
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