: In Form geblieben
■ Seit über zwanzig Jahren im Deutschen Fernsehen: Ab Montag zeigt Sat.1 noch einmal die "Cannon"-Krimis
Im Grunde verwundert es ja kaum: In einem Land, in dem der bauchige Günter Strack zum allseits begehrten Publikumsliebling und raumgreifenden Werbeträger werden konnte, durfte auch der kaum minder ausladende William Conrad auf Sympathien rechnen.
Der Schauspieler wurde weltweit bekannt durch die Rolle des Schwergewichtlers Frank Cannon in der gleichnamigen Detektivserie. Eben die ist die heimliche Kultsendung der Deutschen: Seit „Cannon“ im Juni 1973 in der ARD Premiere hatte, erfreute sich die Sendereihe anhaltender Beliebtheit. Über die Jahre strahlten ZDF, 3sat und Sat.1 „Cannon“-Episoden aus. Zwischen Juni '93 und Juli '95 waren sämtliche 121 Folgen noch mehrmals bei Vox zu sehen und erzielten dort trotz starker Konkurrenz überdurchschnittlich hohe Quoten. Nach einer kurzen Sommerpause ist „Cannon“ nun wieder zurück und geht ab Montag um 9 Uhr erneut bei Sat.1 in Serie.
Die Figur des korpulenten, beinahe haarlosen, also wenig attraktiven Privatermittlers wurde Anfang der siebziger Jahre geschaffen, als Gegenentwurf zu den sportiven Draufgängertypen, die bis dahin das Krimigeschehen bestimmt hatten. Cannon stand nicht allein – mit dem querschnittsgelähmten Robert T. Ironside und dem blinden Mike Longstreet hatten bereits zwei weitere Behinderte den Kampf gegen das Verbrechen aufgenommen. Gewiß ließe sich endlos darüber streiten, ob Cannons auskragendes Feinkostgewölbe mit einem körperlichen Gebrechen gleichgesetzt werden darf. Wer aber jemals hilflos mitansehen mußte, wie Cannon seine gut 240 Kilo Lebendgewicht hinter dem Steuer seines heißgeliebten Lincoln Continental hervorzuwuchten versuchte – der weiß um das schwere Handicap, das diesem Manne auferlegt worden war. Conrad selbst hielt auf seinen Bauch und schätzte den Part des Frank Cannon: „Das war die einzige Sendereihe, in der ich nach Belieben Essen und Trinken konnte mit der Ausrede: Ich muß in Form bleiben für meine Rolle.“
Bis dahin war Conrads Karriere sehr wechselhaft verlaufen. Als junger Spund hatte er noch in die Kanzel eines Jagdflugzeuges gepaßt, nach dem Krieg aber rasch an Gewicht zugelegt. Darum wurde er in Kinofilmen als heavy, als Bösewicht, eingesetzt. Sein Hauptbetätigungsfeld blieb der Rundfunk. Conrads markante Stimme prägte diverse Radioserials. Besonderer Popularität erfreute sich die Westernreihe „Gunsmoke“, in der er den Marshall Matt Dillon sprach. Als „Gunsmoke“ (dt.: „Rauchende Colts“) 1955 vom US- Fernsehen übernommen wurde, war Conrads Gewicht aber schon keinem Klepper mehr zuzumuten. James Arness übernahm den Part und wurde weltweit bekannt.
Conrad betätigte sich vornehmlich hinter den Kameras, als Kino- und TV-Regisseur oder als Produzent von Serien wie „Bat Masterson“, „Naked City“, „77 Sunset Strip“ und – sinnigerweise – auch „Gunsmoke“. Als Schauspieler übernahm er Nebenrollen und war in vielen Fernsehserien als unsichtbarer Erzähler zu hören, unter anderem in „Auf der Flucht“. Er hatte die Fünfzig bereits überschritten, als ihm die Hauptrolle in „Cannon“ angetragen wurde.
Diese damals recht neuartige Figur kam Conrad sehr entgegen. Frank Cannon war ein ehemaliger Kriminalbeamter, der Frau und Kind bei einem Unfall verloren hatte. Der Eigenbrötler lebte allein, hatte nicht einmal eine Sekretärin und nahm – und erhielt – Höchstsätze für seine Dienste, um seinen luxuriösen Lebensstil finanzieren zu können. In besonderen Fällen aber konnte seine Rechnung auch mit einer Einladung zu einem guten Essen beglichen werden.
Als Ex-Polizist verfügte Cannon über gute Kontakte zu den Behörden, zudem über einen scharfen Verstand. Aber er leistete auch ein beträchtliches Pensum an Fußarbeit. Noch 15 Jahre später beklagte sich William Conrad: „Meine armen Füße tun immer noch weh von der vielen Lauferei, die ich in ,Cannon‘ absolvieren mußte. Ich war wohl der einzige Fernsehdetektiv ohne einen Assistenten, der ihm einen Teil der Arbeit hätte abnehmen können.“
Auch in Raufereien wurde das „überfütterte Walroß“ (Conrad), verwickelt. Anfangs machte Conrad derartige Stunts selbst, fand dies aber nach eigenen Angaben zu strapaziös: „Ob es wehtat? Sie können Ihren Hintern darauf verwetten, daß es wehtat. Meine Haut sah aus wie ein Schnittmusterbogen. Also engagierten sie einen Stuntman. Seine Haut sah auch aus wie ein Schnittmusterbogen. Aber mir gefiel dieses Arrangement wesentlich besser.“
Nur fünf Jahre blieb William Conrad, der am 11. Februar 1994 73jährig starb, als „Cannon“, im US-Programm. Im Deutschen Fernsehen ist er wohl unsterblich. Harald Keller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen