■ Der Hingucker: Die Lücke im System
„Tagesthemen“, Do., 22.30 Uhr, ARD – Um es gleich vorweg zu sagen: Die Sendung, um die es im folgenden gehen wird, habe ich gar nicht gesehen. Aber darum geht es auch gar nicht. Oder vielleicht doch. Man wird sehen.
Oder besser: Man hätte sehen sollen. Vorgestern nämlich die „Tagesthemen“. Das jedenfalls meinten gestern hier fast alle im Haus, die sich berufsmäßig täglich mit der Nachrichtenvermittlung beschäftigen, und sie ärgern sich gewaltig, daß sie eben gerade diesen einen Moment verpaßten, der das Hinsehen gelohnt hätte: „Also, das war so...“, erklären uns nun die wenigen Glücklichen, die zufällig doch hingeguckt hatten: „Da war der Jo Brauner und las seine Nachrichten. Ganz so wie immer. Und dann war er fertig – das heißt, die Regie dachte wohl, er wäre fertig, und schwenkte zurück zu Ulrich Deppendorf. Und da meinte der Brauner: ,He, ich bin ja noch gar nicht fertig!‘, und da ging die Kamera wieder zurück, und Brauner las seine letzte Meldung. Das heißt, eigentlich auch wieder nicht. Denn es war nur die Meldung von dem Autogeher-Urteil, und das war so skurril, daß er total anfing zu lachen.“ So was habe man echt noch nicht gesehen, meinen die Kollegen und können gar nicht aufhören, sich über ihr Glück zu freuen.
Die „Tagesschau“ ist Deutschlands erfolgreichste Nachrichtensendung. Und Jo Brauner einer ihrer bekanntesten Sprecher. Jeden Tag verliest er die wichtigsten Meldungen, schreckliche zumeist – solche eben, die einem eigentlich unter die Haut gehen müßten. Nur ein Bruchteil der vielen Informationen bleibt uns davon im Gedächtnis. Diese wird in jedem Fall dazugehören. Nicht weil sie so bedeutsam ist, sondern weil das Fernsehen in diesem kurzen, nur zufällig zu erhaschenden Moment einmal aus der Rolle fiel.
Als lauerten wir eigentlich nur auf die Fehler im System und nicht auf die Nachrichten selbst, werden wir diesen Aussetzer als „Fernsehereignis“ über Jahre hinweg in Erinnerung behalten. Noch heute erzählt man sich die Geschichte, als Dagmar Berghoff statt „WCT- Turnier“ „WC-Turnier“ sagte und sich dann selbst vor Lachen nicht mehr halten konnte.
Kein noch so schrecklicher Krieg kann da mithalten. klab
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