■ Im Wortlaut: Von der Tabakindustrie gehetzt
Nichts verachtet Frank Wöckel so sehr wie Raucher. Seit Jahren kämpft der freie Umweltberater gegen den blauen Dunst. Trotz anonymer Hetzkampagnen, Beleidigungen und eines abgebrochenen Schneidezahns – Wöckel läßt sich nicht entmutigen. Zur Zeit arbeitet der 31jährige Nichtraucher, Antialkoholiker, Vegetarier und Yoga- Fan an einer Verfassungsbeschwerde für eine rauchfreie Umwelt. Trotz seines Nikotinhasses weiß Wöckel, wovon er spricht. Als Schüler hat er sogar den Tabak aus Kippen rausgebröselt, wenn er nicht an Zigaretten rankam. Das hat ihm Spaß gemacht, gibt er zu.
Ich bin von einem Raucher gezeugt worden. Ich wurde in meinen ersten sechs Lebensjahren von meinem Vater zum Passivrauchen genötigt. Danach hat mein Vater zum Glück aufgehört. Aufgrund des Passivrauchens bekam ich gesundheitliche Beschwerden. Jedoch hat kein Arzt meinem Vater das Rauchen verboten. Mein Vater müßte verurteilt werden. Doch derzeit hat solch eine Klage in Deutschland leider keine Aussicht auf Erfolg. Wenn ein Gericht behauptet, Passivrauchen stelle keine Körperverletzung dar, ist das Rechtsbeugung.
Ich habe das Passivrauchen noch bis vor drei Jahren hingenommen. Ich war damals in einer Bibliothek beschäftigt und habe sehr darunter gelitten. Trotz des Verbots wurde von den Angestellten das Rauchen nicht unterlassen. Trotz meiner Beschwerden erfolgte keine Änderung. Auch der Bibliotheksleiter hat unter dem Rauchen gelitten. Er hat sich aber nicht getraut, in seinem Zimmer das Rauchen zu verbieten. Er hat einfach nicht die Courage gehabt. Das beobachte ich sehr oft, daß Nichtraucher sehr eingeschüchtert sind und sich nicht trauen, ihr Recht auf eine rauchfreie Luft geltend zu machen. Als ich an der Volkshochschule Charlottenburg einen Lehrgang zum Umweltberater gemacht habe, war es wieder das gleiche Problem. Auch von den zukünftigen Umweltberatern wurde auf den Fluren geraucht. Auch das Thema Tabakrauch und Tropenwaldzerstörung spielte nicht die geringste Rolle, es wurde totgeschwiegen, obwohl erwiesen ist, daß die Tabakindustrie massiv Tropenwälder zerstört. Ich habe dann eine Unterschriftenliste gemacht und mich beschwert wegen Nötigung und Körperverletzung durch erzwungenes Passivrauchen. Die Volkshochschulleiterin hat sich dann bereit erklärt, zumindest teilweise in den Gängen ein Rauchverbot einzuführen. Das war mein erster Erfolg. In der Volkshochschule Kreuzberg konnte ich meine Kursgebühr nur mit Scheck per Post bezahlen, weil in der Anmeldung geraucht wurde. Erst nach mehreren Beschwerden ist die Anmeldung jetzt ein rechtsfreier Raum.
Ich bekomme vom Rauch Schleimhautreizungen der Atemwege und Augenbrennen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Atembeschwerden. Alle meine Bekannten sind Nichtraucher. Persönlich agitiere ich kaum jemanden. Das ist mir zu anstrengend und auch zu sinnlos. Ich arbeite mehr in Richtung Verbot in der Öffentlichkeit. Ein Mensch, der mich vollqualmt, ist für mich militant und auf dessen Gemeinschaft lege ich nicht den geringsten Wert.
Kürzlich wurde ich von vier Männern in der S-Bahn zusammengeschlagen, weil ich einen Mann, der im Waggon rauchte, höflich bat, er möchte bitte das Rauchen einstellen. Ich habe eine Platzwunde im Mund erlitten und ein kleines Stück meines Schneidezahns ist abgebrochen. Ich habe Strafanzeige gegen die namentlich bekannten Täter gestellt. Einer der Täter drohte mir an, daß mir künftig noch Schlimmeres passieren werde. Zwei Tage später bin ich von einem Auto angefahren worden. Aus dem Fahrverhalten ist auf Vorsätzlichkeit zu schließen. Ob wirklich ein Zusammenhang besteht, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich schon öfters von Rauchern mit Tätlichkeiten bedroht worden bin. Von daher ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß der Autofahrer ein persönliches Interesse hatte oder von der Tabakindustrie abgerichtet worden ist. Ich lass' mich von solchem Raucherterror selbstverständlich nicht einschüchtern. Danach habe ich meine Kampagne ganz energisch vorangetrieben. Aufgeschrieben und fotografiert von Barbara Bollwahn
wird fortgesetzt
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