Haushalt kaum zum Aushalten

■ Der Bundeshaushalt schrumpft beim Sozialen und bei der Umwelt - das Militär bleibt ungeschoren, die Schulden steigen um 20 Prozent. Das Wirtschaftswachstum bleibt unter der Regierungs-Prognose

Berlin (taz/dpa) – Satte 452 Milliarden Mark will die Bundesregierung laut dem Haushaltsentwurf im nächsten Jahr ausgeben. Überall werde gespart, meinte Finanzminister Theo Waigel, aber einige Ressorts trifft es weit härter als andere. Das größte Ressort, Arbeit und Soziales, schrumpft um 7,8 Prozent auf knapp 119 Milliarden Mark – den Problemgruppen müsse geholfen werden, so Waigel, aber schließlich dürfe „die Unterstützung nicht zum Verweilen im sozialen Netz einladen.“

Der zweitgrößte Posten sind wieder die Zinsen für die Bundesschulden. 89 Milliarden Mark fallen dafür an, und trotz allen Sparens nimmt der Bund 1996 60 Milliarden Mark neu auf, 11 Milliarden mehr als im letzten Jahr. So kann sich Verteidigungsminister Rühe weiterhin mit dem überteuerten Jagdflieger „Eurofighter“ rumärgern und seine internationale Eingreiftruppe ausstatten, denn sein Etat wächst um 1,2 Prozent auf 48,4 Milliarden Mark.

Dafür muß Umweltministerin Angela Merkel Federn lassen. Sie verfügt demnächst über drei Prozent weniger Mittel, so daß ihr noch 1,3 Milliarden Mark bleiben. Bei den stetig steigenden Personalkosten bedeutet das eine starke Einschränkung der Handlungsfähigkeit ihres Ressorts. Jürgen Rochlitz vom Bündnis 90/Die Grünen forderte daraufhin ein „Öko- Audit für die Bundesregierung“, schließlich mache der Umwelthaushalt nur noch einige Promille des Gesamtetats aus. „Vor allem bei den umweltpolitischen Projekten wird gestrichen“, so Rochlitz. Für anwendungsbezogene Studien, etwa wie eine Produktion mit möglichst wenig Energie- und Rohstoffaufwand möglich wäre, bleiben 1996 nur noch 58 Millionen Mark. Im letzten Jahr waren es noch 123 Millionen. Das meiste Geld geht zudem in bereits bestehende Projekte, für neue Vorhaben bleiben laut Rochlitz 1996 lächerliche 6,5 Millionen übrig.

Das Ministerium für Familie und Frauen wird von den Zahlen her förmlich eingestampft, der Etat sinkt um sechzig Prozent auf 13,3 Milliarden, weil das Kindergeld künftig nicht mehr als Ausgabe des Ministeriums geführt wird, sondern als Steuerfreibetrag bei der Einnahmenseite des Bundes als Minus zu Buche schlägt.

Ob der Plan von Theo Waigel aufgeht, hängt natürlich stark von den Einnahmen ab. Und hier ist noch vieles unklar. Kommt die Ökosteuer oder nicht, wird die Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer umgelegt, die Vermögenssteuer und die Gewerbesteuer verändert oder abgeschafft – alles offenen Fragen, die die Finanzexpertin der SPD, Ingrid Matthäus-Maier, von einer Finanzierungslücke von bis zu 10 Milliarden sprechen läßt.

Auch die wirtschaftliche Entwicklung wirkt sich, etwa über Mehrwert- und Gewinnsteuer, auf das Staatssäckel aus. Die Konjunktur hat sich im 1. Halbjahr 1995 mit einem realen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,6 Prozent weiter positiv entwickelt. „Die in den letzten Wochen vielfach geäußerten pessimistischen Konjunkturprognosen haben sich nicht bestätigt“, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Hans Günther Merk, am Mittwoch in Wiesbaden. In ihrem Jahreswirtschaftsbericht war die Bundesregierung allerdings noch von drei Prozent samt 300.000 neuen Arbeitsplätzen ausgegangen.

Die jüngste Entwicklung am Arbeitsmarkt wertete Merk als positiv, da der Abbau der Arbeitsplätze in ganz Deutschland „nahezu zum Stillstand kam“. Im Westen ging die Zahl der Erwerbstätigen um 210.000 Personen oder 0,7 Prozent zurück. In Ostdeutschland nahm sie dagegen um 170.000 oder 2,7 Prozent zu.

Die Einkommen der Arbeitnehmer verbesserten sich nur um drei Prozent, während die Einkommen der Unternehmer und aus Vermögen wieder einen beachtlichen Zuwachs von 9,2 Prozent verbuchen konnten. Die Bruttoverdienste in den neuen Ländern kamen auf 75 Prozent, netto sogar auf 82 Prozent des Westniveaus heran. Reiner Metzger