■ Pariser Reaktionen: Kaum Protest
Punkt zwölf Uhr heulten in Paris die Sirenen. Es handelte sich aber nicht um einen Bomben- oder Katastrophenalarm, sondern lediglich um eine Routineübung. Frankreich testet nicht nur seine Atombomben, sondern auch solche banale Einrichtungen. Für den Rest des Tages blieb es still, viel zu still. Keine Kirchturmglocken läuteten Sturm, um gegen die unterirdische Kernexplosion auf dem fernen Südseeatoll zu protestieren.
54 Prozent der Franzosen fürchten wirtschaftliche Konsequenzen und einen Imageverlust als Folge von Chiracs nuklearem Starrsinn. Abgesehen von Greenpeace und Les Verts, die zu einer abendlichen Kundgebung an der Bastille aufriefen, mobilisierte die Opposition aber nicht wirklich ihre Basis für die vorgesehenen Demonstrationen in Paris und den Provinzstädten. Es blieb den politischen Sprechern und Prominenten vorbehalten, Statements zum Thema Atomtests abzugeben.
Kommandant Jacques-Yves Cousteau, der am Vorabend des Kernversuchs aus Protest den Vorsitz einer beratenden (Alibi-)Kommission „Rechte der nachfolgenden Generationen“ niedergelegt hatte, bezeichnete gestern die Wiederaufnahmen der Versuche als „politischen Fehler“, der weniger die Umwelt als die Moral „verschmutze“. Im Irrtum befänden sich auch die Umweltschützer, welche die unterirdischen Explosionen als Umweltgefahr darstellen. Die Versuche seien „sauber“, er habe selbst Gelegenheit gehabt zu prüfen, daß die Radioaktivität nach einem Test nicht ansteige. Aber aus politischen Gründen müßte die Erprobung der Kernwaffen kritisiert werden.
All diese Proteste, die nicht „unerwartet“ kommen, „grenzen ein wenig an Hysterie“, meinte der eher hilflos wirkende Premierminister Alain Juppé. Er forderte seine Landsleute auf, „sich nicht vergiften zu lassen durch eine internationale Kampagne, deren Sorge nicht die Umwelt, sondern weitgehend ein kommerzielles Interesse ist“.Rudolf Balmer, Paris
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen