: Arbeit statt Müll
Zwischen Komposthaufen und Glascontainern: Die Weiterbildung zu AbfallberaterInnen bezahlen die Arbeitsämter ■ Von Marcus Franken
Wie Waldboden riechen die ehemaligen Küchenreste, alten Blumensträuße und das Laub vom vergangenen Herbst. Bloß eine vergoldete Häkelnadel und ein Stück rotes Klebeband verraten, daß hier der Mensch seine Hand im Spiel hatte und wir uns nicht über eine Schubkarre voll Erde aus dem Grunewald beugen.
Rainer Schubert freut sich über das Engagement seiner KollegInnen im Amt für Umweltschutz im Bezirk Lichtenberg. Als Abfallbeauftragter ist er verantwortlich für alle Fragen der Abfallvermeidung und -verwertung in der Bezirksverwaltung und hat mit dafür gesorgt, daß der Komposter, für dessen Inhalt wir uns interessieren, im Hinterhof der Behörde aufgestellt wurde.
Rainer Schubert ist einer aus der Gilde der AbfallberaterInnen, die daran arbeiten, den vorsorgenden Umweltschutz auch in die Praxis umzusetzen. AbfallberaterInnen wollen dazu beitragen, das Umweltbewußtsein bei den Bürgern, in Betrieben und in den Verwaltungen zu stärken.
Man unterscheidet drei Arten von AbfallberaterInnen. Eine findet ihre Tätigkeit zum Beispiel bei Landkreisen oder Städten und organisiert dort die Öffentlichkeitsarbeit, um BürgerInnen zu umweltbewußtem Verhalten zu motivieren. Diese BeraterInnen führen Abfallvermeidungskampagnen durch, informieren über die richtige Art der Abfallentsorgung, gestalten Infostände und Ausstellungen, entwerfen Plakate und Umweltwerbung für kommunale Fahrzeuge oder erstellen Broschüren und Flugblätter. Alle Landesabfallgesetze und viele kommunale Abfallsatzungen fordern heute eine solche Beratung zur Abfallvermeidung durch die Kommunen. Aber nicht alle Kommunen haben schon AbfallberaterInnen eingestellt: Auf Dauer jedoch werden sie kaum an einer qualifizierten Öffentlichkeitsarbeit vorbeikommen.
Die zweite Gruppe der AbfallberaterInnen werden von privaten Unternehmen als Betriebsbeauftragte für Abfall eingestellt. Hier geht es darum, anfallende Abfallmengen zu erfassen, die gesetzlichen Anforderungen an eine abfallarme Produktion zu erfüllen und Konzepte zur Abfallvermeidung zu erstellen. AbfallberaterInnen informieren die Mitarbeiter im Betrieb über den Umgang mit Müll und sorgen so dafür, daß alle Abfälle richtig getrennt und entsorgt werden. In einigen Betrieben werden die AbfallberaterInnen auch einbezogen, um neue Produkte oder Produktionstechniken abfallarm zu gestalten.
Die Arbeit in öffentlichen Einrichtungen, die Rainer Schubert und seine KollegInnen im Bezirk Lichtenberg versehen, stellt ähnliche Anforderungen an die AbfallberaterInnen wie die in den Betrieben. Hier stehen Abfallvermeidung durch umweltfreundlichen Einkauf und eine sinnvolle Getrenntsammlung im Vordergrund. Und wie in den Betrieben ist es oft die schwierigste Aufgabe der BeraterInnen, KollegInnen und Vorgesetzte von ihren umweltfreundlichen Plänen zu überzeugen und zur Mitarbeit zu bewegen. Die Arbeit der AbfallberaterInnen im Bezirksamt Lichtenberg kann sich sehen lassen: Dort werden heute Mehrweg- statt Einwegverpackungen eingesetzt, Bürokleber und Putzmittel in Nachfüllsystemen bestellt, und die Einkäufer achten auf abfallarme Verpackungen ohne Extrafolien oder Styropor. Außerdem wurde eine konsequente Getrenntsammlung von Papier und Pappe, Glas, Restmüll und die (allerdings umstrittene) Grüne-Punkt-Fraktion eingeführt. In Lichtenberg gibt es etwa 240 städtische Einrichtungen, wie Schulen, Kindertagesstätten, Sportanlagen oder Verwaltungen. Dort, wo sich Menschen mit hohem Umweltbewußtsein bereit erklärten, einen Komposthaufen zu betreuen, haben die AbfallberaterInnen auch die Getrenntsammlung von organischen Resten einführen können. In zwei untersuchten Einrichtungen konnten so die Müllmenge um über 40 Prozent und die Entsorgungskosten um die Hälfte verringert werden. Schöne Aussichten, wenn man bedenkt, daß die öffentlichen Einrichtungen des Bezirks jedes Jahr 2,6 Millionen Mark für die Müllabfuhr bezahlen. „Für den Bezirk lohnt es sich auch finanziell, Abfallberater einzustellen“, sagt Rainer Schubert, der zweimal im Jahr nachweisen muß, daß der Bezirkshaushalt durch seine Arbeit als Abfallberater entlastet wird. Sein Lohn für die nächsten zwei Jahre soll aus eingesparten Müllgebühren finanziert werden.
Abfallberatung ist eine Querschnittsaufgabe, und die fachlichen Anforderungen an die AbfallberaterInnen sind umfassend: Um die Umweltauswirkungen von Produkten und Verfahren abschätzen zu können, sind Grundkenntnisse aus den Naturwissenschaften notwendig. Umweltschutz ist geprägt durch gesetzliche Regelungen: Daher müssen AbfallberaterInnen sich im Umweltrecht auskennen, und je nachdem, ob sie in der Öffentlichkeitsarbeit, in Betrieben oder in den Verwaltungen arbeiten, sind eher journalistische Fähigkeiten, betriebswirtschaftliche oder verfahrenstechnische Kenntnisse gefragt. Ein Berufsbild „AbfallberaterIn“ mit einheitlich festgelegten Ausbildungsinhalten gibt es bisher nur als Entwurf der „Interessengemeinschaft für Abfallwirtschaftsberatung“ (IfAb) in Bonn. Die Ausbildung erfolgt bisher über Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter und verschiedene freie Träger. Ob in Zukunft genug Arbeit für AbfallberaterInnen da sein wird, hängt vor allem davon ab, wie ernst die Kommunen, die Länder und der Bund die Umweltpolitik nehmen. Betriebswirtschaftlich ist die Abfallberatung vor allem in den ersten Jahren interessant – volkswirtschaftlich dagegen werden Umweltentlastungen sich noch lange bezahlt machen.
Die Arbeit als Abfallberater ist abwechslungsreich. Konzepte müssen erstellt, Seminare für MitarbeiterInnen erarbeitet werden. Und Rainer Schubert hält seine Tätigkeit für einen ökologisch sinnvollen Job: Die Erfolge sprechen für sich.
Kontakte:
Interessengemeinschaft für Abfallwirtschaftsberatung (IfAb), Goethestraße 14, 53113 Bonn, Tel.: (0228) 214985, Fax: 210272.
BUP, Büro für Umweltpädagogik, Borsigring 26, 31319 Sehnde, Tel.: (05138) 8736, Fax: 9058
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