„Eine regelrechte Basisbewegung“

■ 26 Berliner Schulen arbeiten bereits nach der Montessori-Pädagogik

Auf den Gängen riecht es nach Nudeln mit Ketchup. Ein Geruch, wie ihn alle kennen, die jemals eine DDR-Neubau-Schule inklusive Schulspeisung erlebt haben. Immer montags roch es dort so. Heute ist Mittwoch, die Qualität der Teigwaren steht außer Frage, nur die Fassade des Gebäudes läßt hier noch auf die Ostvergangenheit schließen. Die Räume sind freundlich renoviert – keine Spur von den typischen Reihen der Schulbänke.

Mit Beginn dieses Schuljahres beschreiten Schüler, Eltern und Lehrer der 18. Grundschule am Syringenplatz im Bezirk Prenzlauer Berg neue Wege. Die Vorklasse und die beiden ersten Klassen werden nach den pädagogisch-didaktischen Grundsätzen Maria Montessoris unterrichtet, die auch in Berlin immer mehr AnhängerInnen finden (siehe Seite 23).

Von 150 interessierten Eltern hätten etwa 70 ihre Kinder am Syringenplatz eingeschult, berichtet Schulleiter Helmut Rambausek. Vier LehrerInnen haben bereits ein Montessori-Diplom erworben, vier weitere sollen im Laufe dieses Jahres folgen.

„Wir haben es mit einer regelrechten Basisbewegung zu tun“, freut sich die zuständige Abteilungsleiterin beim Landesschulamt, Brigitte Safadi. Eine von oben verordnete Initiative hätte kaum eine solche Dynamik entwickelt. Eine Krise der Berliner Bildungslandschaft will Frau Safadi freilich nicht ausmachen. Wohl aber registriere ihre Behörde, daß zunehmend mehr LehrerInnen über auffallend schwierige Kinder klagen. Besonders das Phänomen der zunehmenden Gewalt beunruhige die PädagogInnen.

Die 18. Grundschule arbeitet auch mit solchen „verhaltensauffälligen“ Kindern. „Nach und nach werden sie in Tätigkeiten, wie sie Maria Montessori angeregt hat, einbezogen. Was das Kind lernen will, wird es lernen“, dessen ist sich Schulleiter Rambausek sicher. Ein Grundsatz, der auch für die anderen Grundschulkinder gilt, von denen einige behindert sind. Das Material, mit dem an seiner Schule gearbeitet wird, ist schon aus Kostengründen nicht ausschließlich Montessori-Material. „Wichtig ist nur, daß mit ihm selbständige Arbeit möglich ist, daß es die Möglichkeit der Eigenkontrolle durch das Kind enthält. Außerdem, daß es angefaßt, begriffen werden kann.“ Aber auch der Computer ist am Syringenplatz kein Tabuthema.

Mittlerweile arbeiten 26 Einrichtungen der Stadt nach der Methode Maria Montessoris, so Brigitte Safadi. Einige davon nach der „reinen Lehre“ – mit altersgemischten Klassen. Andere knüpfen nur an diese Unterrichtsmethode an. Der Wille der LehrerInnen, etwas anders und mit neuer Kraft zu machen, sei oftmals schon der Schlüssel zum Erfolg.

Riesige Finanztöpfe hat der Senat freilich nicht auszuschütten. „Da haben sich die Zeiten geändert“, so Brigitte Safadi. Die Zauberformel beim Landesschulamt lautet deshalb: „erweiterte Verantwortung“. Die Bildungseinrichtungen müssen mit ihrem Etat selbst wirtschaften. Ob sie davon Montessori-Material anschaffen oder einen Schulclub einrichten, kann frei entschieden werden. „Viele Schulen haben mittlerweile Förderverein gegründet. Berliner SchulleiterInnen werden künftig nicht mehr nur OberpädagogInnen, sondern auch ManagerInnen sein müssen.“ Kathi Seefeld