Möglichst unverkrampft

Peenemünder Straße, Peenemünder Straße ... Ist das nicht dieses Asylbewerberheim ganz weit draußen? Stimmt: „Penemünder Straße“ meint das Übergangswohnheim für Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtinge vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Lesum. Das ist allerdings keineswegs weit draußen, sondern in 12 Minuten per Bahn und 4 Minuten Fußmarsch zu erreichen – darauf legt Thomas Pörschke vom ASB großen Wert, denn eben dieses Asylbewerberheim wird jetzt zu einem Veranstaltungsort ganz besonderer Art: Unter dem Titel „Berührungen“ steigt von Mittwoch bis Sonntag eine Internationale Kulturwoche – organisiert nicht nur von der Ausländerbeauftragten und dem ASB, sondern ebenso von einigen der 400 BewohnerInnen.

Besonders ist vor allem der Ort: die ehemalige „Gepäck- und Kofferhalle“, jene Halle, in der in den 50er Jahren die Displaced Persons vor ihrer Auswanderung ihr Gepäck aufbewahrten. Die Wohnblocks, die heute von AsylbewerberInnen und Kriegsflüchtlingen bewohnt werden, dienten nämlich in den 50er Jahren Verschleppten und Kz-Opfern als Übergangswohnheim.

Besonders nicht nur der Ort, sondern auch das Konzept der Kulturwoche: Möglichts unverkrampft, nämlich beim Biertrinken, beim Feuerschluckzauber oder einer Diskussion sollen sich die BesucherInnen näherkommen. Also kein bemühtes „Heute rede ich mal mit einem Asylbewerber“. Sondern eher ein „Heute schaue ich mir die Flüchtlingsbilder von Gustav Tilman an und die türkische Jugendtheatergruppe aus Bremen, und anschließend trinke ich einen Espresso, mal gucken, wer da sonst noch so ist.“ Ob Tanznacht zu südamerikanischer Musik (Freitag) oder das Ein-Personen-Stück der bekannten türkischen Schauspielerin Gülsen Tuncer über die Todesstrafe (Sa.nachm.) – für jede Generation, für jeden Geschmack soll etwas dabeisein.

Und für jedes Begehr: Den Kopf heißreden kann man sich bei der Diskussion „Am Beispiel Bosnien: Ursachen und Hintergründe von Verfolgung und Völkermord“ (Do.,19-22 Uhr) oder bei der Runde zum Thema „Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa“ (Mi., 20 Uhr). Wohlbekannte Themen, aber: „Wir wollen nicht zum fünften Mal die Schlechtigkeit der Welt beklagen“, so Pörschke, „sondern überlegen, was getan werden muß, um Bürgerrechten zur Durchsetzung zu verhelfen“. Mit dabei am Mittwochabend ist also auch ein Vertreter von „Inlia“, dem eruopäischen Netzwerk von Kirchenasyl-Gemeinden. Übrigens: Der Eintritt ist frei. Und die letzte Citybahn Richtung City fährt in Lesum um 0.33 ab. Termine siehe taz-heutekasten. Weitere Infos, auch über das Seminar „Frauen auf der Flucht und im Exil“ (Fr., 10 Uhr) unter Tel. 6936621. cis