Mit 200 km/h in den programmierten Crash

■ Rennfahrer nach Avus-Unfall gestorben. Grüne und SPD fordern Ende der ADAC-Rennen. Drei Unfälle in einem Jahr

Nach dem Tod des britischen Rennfahrers Keith Odor gerät die Avus als Rennstrecke wieder schwer in die Kritik. Der 33jährige Nissan-Fahrer Odor war in der Nacht zum Montag den Verletzungen erlegen, die er sich beim „ADAC Super-Touren-Wagen Cup“ auf der Avus am Sonntag zugezogen hatte – es war binnen einen Jahres der dritte schwere Unfall bei einem Avus-Rennen.

Im letzten Jahr war der Bremer Louis Krages nach einer Kollision nur knapp dem Feuertod entkommen. Beim Rennen im Mai dieses Jahres gab es einen Massencrash – wie durch ein Wunder erlitten die Fahrer nur leichte Verletzungen. Bereits am Samstag hatte es beim Training mehrere Zusammenstöße gegeben. Und auch das Hauptrennen am Sonntag begann mit einem Rennabbruch nach einem Unfall in der ersten Runde.

Jetzt wird über die Sicherheitsvorkehrungen an der Strecke und mögliche politische Konsequenzen gestritten. Die Bündnisgrünen fordern, daß die „lebensgefährliche PS-Show“ auf der Avus endlich verboten wird. Müsse erst „ein wildgewordener Rennwagen in eine voll besetzte Zuschauertribüne rasen“, bevor sich die Verantwortlichen zu diesem Schritt entschließen, fragt Matthias Tang, Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Die Avus-Rennen gefährdeten nicht nur Menschenleben, sondern seien auch regelrechte „Emissionsorgien“. Am vergangenen Wochenende hatten kilometerlange Staus rund um die für das Autorennen gesperrte Avus für ein Verkehrschaos gesorgt; die Rennwagen waren außerdem bis in die Innenstadtbezirke zu hören.

Auch die SPD will sich nach dem Unfall dafür einsetzen, daß Berlin auf Autorennen im Stadtgebiet verzichtet, sagte der SPD- Sprecher Peter Stadtmüller. Dagegen will der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) erst einmal abwarten, bis die Unfallursache geklärt ist. Daraus seien dann „die richtigen Folgerungen für künftige Veranstaltungen zu ziehen“, äußerte sich Diepgen zurückhaltend.

Keith Odor war im zweiten Lauf am Sonntag mit 200 km/h am Eingang zur Nordkurve, wo normalsterbliche Autofahrer nur 60 km/h fahren dürfen, aus bislang ungeklärten Gründen in die Leitplanken gerast, hatte sich gedreht und war quer zu Fahrbahn stehengeblieben. Danach war der Neusser Rennfahrer Frank Biela mit voller Geschwindigkeit in die Fahrertür des Briten geprallt, der so in seinem Wagen eingeklemmt wurde, daß es fast eine halbe Stunde dauerte bis er befreit werden konnte.

Biela und der Nissan Sportchef für Europa, Han Tijan, hatten in ersten Reaktionen am Sonntag kritisiert, daß die Rettungsmaßnahmen viel zu lange gedauert hätten. Andere Rennfahrer bemängelten, daß auf der Avus keine Auslaufzonen vorhanden und die Stadtautobahn als Rennpiste ohnehin ungeeignet sei.

Der ADAC wies die Vorwürfe zurück: Die Sicherheitsvorschriften seien „militärisch genau“ eingehalten worden, erklärte der Organisationschef Gerhard Gottlieb gestern anhand von Fernsehaufnahmen. Er wollte sich allerdings nicht dazu äußern, ob der Unfall das Ende für Motorsportveranstaltungen auf der Avus bedeute. „Das schönste wäre, wir bauen eine neue Strecke“, so Gottlieb. Dabei hatte selbst der Rennleiter des ADAC-Cups, Werner Korth, zugegeben, daß Autorennen ein Spiel mit dem Tod sind: „Für das, was die Rennfahrer sehen, fahren sie viel zu schnell.“ Ole Schulz