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„Der Islam ist tolerant“

Ägyptens Botschafterin verteidigt bei der Frauenkonferenz die Haltung ihrer Religion zum Erbrecht  ■ Aus Peking Jutta Lietsch

Der Islam ist eine tolerante Religion, der den Frauen mehr Rechte gibt als jede andere“, sagte gestern die ägyptische Botschafterin Mervat Tallaey bei der Weltfrauenkonferenz in Peking. Die Ägypterin, die eine der beiden Arbeitsgruppen leitet, in denen über die Formulierungen des Abschlußdokumentes der Konferenz verhandelt wird, wandte sich in einer eigens einberufenen Pressekonferenz gegen den „verbreiteten Eindruck, daß der Islam die Frauen nicht gleichberechtigt behandelt. Und dieses Bild ist falsch.“

Tallaey verteidigte zugleich die Haltung ihrer Regierung in der umstrittenen Frage des Erbrechtes für Töchter. Während die meisten Staaten in Peking eine Gleichstellung mit den männlichen Erben fordern, erklärte sie dies für mit dem Koran unvereinbar. Denn dort sei vorgesehen, daß Töchtern nur halb soviel zusteht, wie Söhne erhalten. Das sei nicht ungerecht, da der Islam den Söhnen vorschreibe, daß sie für die Familien sorgen müßten. Die Mädchen hingegen könnten mit ihrem Anteil machen, was sie wollten.

Islamische Länder – besonders der Iran und der Sudan – gelten zusammen mit dem Vatikan, Guatemala, Malta, Honduras und Benin als Hauptbremser der Frauenkonferenz. „Bei dieser Konferenz waren die muslimischen Länder nicht die Extremisten“, erklärte die Verhandlungsführerin gestern. „Ehrlich gesagt, waren die Extremisten bei anderen Gruppen.“ Berichten zufolge hat es bei den Diskussionen mehrfach heftige Wortwechsel zwischen Tallaey und der Vertreterin des Vatikans gegeben. Bis gestern nachmittag gab es keinen Fortschritt in der Frage von Erb- und Landbesitzrecht für Frauen.

An einem anderen Punkt jedoch sprachen viele Konferenzteilnehmerinnen von einem Durchbruch: Die Regierungen einigten sich darauf, daß Frauenrechte Menschenrechte sind – ohne Einschränkung durch Kultur oder Religion. Damit bestätigten sie eine Formulierung, die bereits auf der Menschenrechtskonferenz in Wien vor zwei Jahren akzeptiert worden war.

Bei dem vorliegenden Entwurf zur Aktionsplattform, die am Freitag verabschiedet werden soll, wollten einige Länder das Wort „Menschenrechte“ durch „universelle Menschenrechte“ ergänzen. Schon vor der Frauenkonferenz hatte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, José Ajallo- Lasso vor diesem Schritt gewarnt: Dies könne so interpretiert werden, als ob es verschiedene Klassen von Menschenrechten gebe, auch „nicht universelle“.

Offen waren gestern nachmittag noch eine Reihe von Streitpunkten, zu denen die Bewertung von Frauenarbeit, Rüstungsausgaben, Sexualaufklärung, Wirtschaftspolitik und das Verbot von Giftmüllexport gehörten. Besonders Frauen aus Entwicklungsländern weisen darauf hin, daß alle Formulierungen, in denen die Folgen der Wirtschaftspolitik der industrialisierten Länder beschrieben werden, auf Initiative dieser Länder verbessert werden. Dennoch war die Stimmung bei vielen Konferenzteilnehmerinnen verhalten zuversichtlich. Die am Tag zuvor erzielte Kompromißformel, die „sexuelle Rechte“ von Frauen zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber doch impliziert, schien vielen annehmbar. Nach Ansicht der Verhandlungsführerin der Arbeitsgruppe Menschenrechte ist auch die umfassende Verurteilung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein Erfolg. „In vielen Ländern wird das Thema auch heute noch mit einem Tabu belegt“, sagte Irene Freudenschuss- Reichl. Daher sei es ein großer Fortschritt, wenn ausdrücklich darüber gesprochen werde. Auch sie gab sich optimistisch: Das wichtige an dieser Konferenz sei nicht das Abschlußdokument, sondern die Tatsache, daß die Regierungen der Welt über Monate und Jahre dazu gebracht worden seien, sich mit den Forderungen der Frauen zu beschäftigen. „Es ist etwas in Bewegung gekommen“, sagte sie.

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