Wir wollen keine weiße Chefin

■ Um das Schoko-Cafe tobt eine erbitterte Auseinandersetzung. Autonome Frauen fordern, daß es an Migrantinnen vergeben wird. Dem Cafe droht die Schließung

Als vor kurzem eine Gruppe von Frauen versuchte, das leerstehende Schoko-Café zu besetzen, scheiterten sie daran, daß sie den Schlüssel nicht finden konnten. Der mißglückte Versuch birgt eine gewisse Ironie, denn das Kreuzberger Frauenstadtteilzentrum entstand in den achtziger Jahren, als Frauen die leerstehende Schokoladenfabrik in der Mariannenstraße besetzten.

Doch diesmal ist der Leerstand hausgemacht. Um die Frage, wer das Café künftig betreiben soll, tobt seit Monaten eine erbitterte Auseinandersetzung. Die Räume stehen seit Februar leer, ein Ende ist nicht abzusehen. Mit Drohanrufen, im Kiez plakatierten Flugblättern und anonymen Briefen an Frauenzeitungen versuchte eine Unterstützerinnengruppe aus dem Kiez, die Entscheidung des Schoko-Teams zu kippen.

Das Team hatte sich mit klarer Mehrheit für Ida Schillen entschieden, eine 39jährige Architektin, die die Schokofabrik in den achtziger Jahren mitaufgebaut hat. Weil eine weiße Frau den Zuschlag erhielt und nicht eine der Immigrantinnen-Gruppen, die sich ebenfalls beworben hatten, handelte sich das Schoko-Team eine Menge Kritik ein. Es sei inkonsequent, das Café für ein interkulturelles Team auszuschreiben und sich dann doch für eine einzelne weiße Frau zu entscheiden.

Das Schoko-Café „kann sehr leicht wieder ein Café für reiche, hauptsächlich weiße deutsche FrauenLesben werden“, so die Befürchtungen der Unterstützerinnengruppe. Dabei haben sowohl Ida Schillen als auch das Schoko- Team immer am Konzept des interkulturellen Cafés festgehalten. Ein Teil des Teams ist von den Konflikten mittlerweile so entnervt, daß sie das Café auf Dauer schließen wollen.

Ida Schillen hat wegen des Kleinkriegs das Handtuch geworfen. „Ich bin massiv unter Druck gesetzt worden, mich zurückzuziehen, ansonsten müsse ich mit weiteren Kampagnen rechnen“, so Schillen. „Das ist keine Form der Auseinandersetzung.“ Die Frauen aus der Unterstützerinnengruppe hätten sich bei ihr bis heute nicht mit Namen gemeldet. Die überwiegend weißen Unterstützerinnen beklagen, daß in den Frauenprojekten zwar darüber diskutiert werde, mehr Stellen mit Migrantinnen zu besetzen, aber faktisch werde alles getan, um deren Teilhabe zu verhindern. Ein Vorwurf, den die Schoko-Frauen zurückweisen: „Für uns war die Qualifikation entscheidend“, sagte Therese Kupke vom Schoko-Team. Die Migrantinnen hätten weder Erfahrung gehabt, wie sie an öffentliche Gelder herankommen könnten, noch wie man einen Gastronomiebetrieb führe. Die frühere Café- Gruppe habe einen Schuldenberg von 20.000 Mark hinterlassen. Deshalb sei es dem Schoko-Team wichtig gewesen, daß die neuen Betreiberinnen das Café auf eine solide Basis stellen.

Die Unterstützerinnengruppe – in einer Stellungnahme der Schokofabrik als „Herrinnen der Kreuzberger Kiezordnung“ tituliert – befürchten eine „Kommerzialisierung“ und Schickimicki-Renovierung des Cafés. Sie fordern weiterhin, daß es von schwarzen Frauen geleitet wird. „Es soll keine deutsche Chefin geben“, sagte eine der Frauen. Weil es sich bei der Vergabe des Cafés um eine „politische Entscheidung“ handle, müßten sie als Nutzerinnen ein Mitspracherecht haben. Dahinter verbirgt sich der Anspruch, daß das Café als „ihr“ politischer Freiraum erhalten bleibt.

„Die Schoko ist als unpolitischer Ort nicht vorstellbar“, entgegnete Therese Kupke vom Schoko-Team. Daß die Getränke bezahlbar sein müßten, sei gar keine Frage. Ein Café, daß sich trägt und ein politischer Ort ist, sei schließlich kein Widerspruch.

Eine Lösung des Konfliktes ist dennoch nicht in Sicht. Das Schoko-Team konnte sich noch nicht einigen, ob sie mit einer Neuausschreibung nochmals versuchen, eine Betreiberin zu finden, ob zwei schwarze Frauen aus dem Schoko- Team das Café managen sollen oder ob es ganz geschlossen bleibt. „Wir brauchen eine Denkpause“, sagte eine Mitarbeiterin. Eine andere meinte: „Es sieht nicht so aus, als würde es schnell gehen.“ Dorothee Winden