piwik no script img

Das Geheimnis der Sülze

■ Der Chefspion als Chefkoch: Markus Wolf stellt „die Geheimnisse der russischen Küche“ vor – eine schwere Kost

Berlin (taz) – Wer wie Markus Wolf (für Freunde „Mischa“) beruflich mit Geheimnissen zu tun hat, der weiß, wie wertvoll diese sind. Geheimnisträger sind geheimnisvolle Menschen. Denn sie wissen, was gewöhnliche Zeitgenossen nicht wissen, und was sie wissen, ist wiederum nur ihr Wissen. Das macht neugierig: Und so eilten gestern die Menschen in den Berliner Martin-Gropius-Bau, denn der Herr über die frühere Auslandsspionage der DDR hatte alle Funk-, Fernseh- und Zeitungsredaktionen wissen lassen, er wolle sie ein wenig in den Kochtopf gucken lassen. Angekündigt waren „Geheimnisse der russischen Küche“, Kochrezepte garniert mit Episoden aus dem Geheimsdienstleben. Der Verlag: „Ein Buch der Enthüllungen über alles, was Sie über Markus Wolfs Leben schon immer wissen wollten, aber nie auszukundschaften wagten.“ Doch, o Unglück, die Geheimnisse der russischen Küche waren bald vergriffen. Zu groß war der Wissensdurst und zu gering die Zahl der ausgelegten Exemplare. Und so blieben manchen die Geheimnisse geheim. Etwa das auf Seite 55. Im Kapitel „Diplomatie und Sülze“ berichtet der Autor: „Mischa, weißt du, was Champagner auf Hausmacherart ist?“ fragt mich Viktor, bevor das Essen aufgetragen ist. „....?“ „Das wäre, wenn wir beide Wodka trinken und unsere Frauen zischen.“ Tja, wer zu spät kam, das Buch abzustauben, den strafte wieder einmal das Leben: der mußte mit dem parlierenden Autor Wolf und den ihn fragenden Fernsehautor Wolfgang Menge (Ekel Alfred, Motzki usw.) vorlieb nehmen. An Geheimnissen war da etwa zu erfahren: „Die Kultur des Trinkens ist in Rußland eine eigene.“ Wir lernten auch: „Ich habe das überlebt, nicht alle haben das.“ Oder, daß der im Brüsseler Nato- Hauptquartier aufgeflogene Topspion Rainer Rupp („Topas“) seinen einstigen Chef aus der Haft heraus mit Rezepten über marinierten Lachs versorgt. Er, Topas, habe „das Rezept im Operationsgebiet immer wieder mit großem Erfolg eingesetzt“. Und natürlich will sich Mischa nicht „hinter der Kochschürze verstecken“. Weitere Geheimnisse werden folgen – aber das wird dann ein neues Buch. Der Erscheinungstermin ist (noch) Geheimnis. Wolfgang Gast

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen