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Freiflug ins Folterland Sudan

■ Innenminister Kanther charterte einen Jet, um Sudanesen abzuschieben. SPD: „Menschenverachtend“

Berlin (taz) – Streng, schnell und formal nach „Recht und Gesetz“ ließ Bundesinnenminister Kanther noch in der Nacht zum Mittwoch sieben Sudanesen in ihre Heimat abschieben, obgleich es eine Zusage Eritreas gab, die Menschen aufzunehmen. Kanther hatte es dermaßen eilig, die Flüchtlinge aus der Bundesrepublik zu entfernen, daß er weder auf die nächste reguläre Maschine in den Sudan, die heute startet, gewartet hat noch auf eine schriftliche Bestätigung der Zusage aus Eritrea. Die Hessische Evangelische Landeskirche hatte ihm zuvor versichert, daß das Land die Flüchtlinge aufnehmen werde. Der eritreische Botschafter in Bonn, Wolde- Mariam Goytom, bestätigte gestern gegenüber der taz: „Ich habe dem Bundesinnenministerium gesagt, daß wir noch einen Tag warten müßten, um eine schriftliche Zusage zu erhalten.“

Als „zynisch, unchristlich und menschenverachtend“ bezeichnete gestern die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin Kanthers Verhalten: „Am Dienstag um 19.40 Uhr habe ich einen Anruf seines Staatssekretärs bekommen. Er sagte, der Minister wünsche nicht, die Option Eritrea wahrzunehmen.“ Statt dessen habe Innenminister Kanther persönlich entschieden, ein Charterflugzeug zu mieten und die Flüchtlinge mit 15 Beamten des Bundesgrenzschutzes über Bukarest in den Sudan zu fliegen.

Am zynischsten aber ist die Begründung, mit der die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht die Abschiebungsentscheidung durchgesetzt hat. Sie hat vorgetragen: „Die aufgrund der hiesigen umfangreichen Medienberichterstattung im Sudan bekannte Asylantragstellung wird von der sudanesischen Regierung nicht in einer Weise behandelt, die politische Verfolgung befürchten läßt.“ Der Staatssekretär im sudanesischen Außenministerium habe zugesichert, daß die sieben nach ihrer Rückkehr keine staatliche Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung im Sudan zu befürchten hätten. Darüber hinaus sei angeboten worden, daß deutsche Botschaftsangehörige bei der Ankunft der Flüchtlinge zugegen sein dürften.

Weil den Bundesverfassungsrichtern, die selbst bestens darüber informiert sind, daß der Sudan ein Folterregime ist, diese Zusage zunächst nicht genügte, forderte es das Bundesinnenministerium auf, eine entsprechende Zusage in schriftlicher Form vorzuweisen. Dazu ist es nie gekommen. Zwar heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums: „Dieser Bitte kommt das sudanesische Außenministerium in Form einer Verbalnote nach.“ In dieser versichere es, daß den Flüchtlingen keine strafrechtlichen Maßnahmen drohten. Jedoch: Hinter dem kleinen Wörtchen „Verbalnote“ verbirgt sich die unredliche Haltung Manfred Kanthers. Eine Verbalnote ist gerade nicht eine schriftliche Zusage, sondern ein abgelesener Vermerk, der seinerseits nicht überreicht wird.

Der Protest verschiedenster Hilfsorganisationen kann nichts mehr ausrichten. Pro Asyl nennt die Abschiebung einen „Skandal“. Die Private Deutsche Auslandshilfe, die im Sudan tätig ist, erklärt: „Die Sudanesen sind in ihrer Heimat in Gefahr.“ Und die hessischen Ausländerbeiräte äußerten: „Die Bundesregierung hat die Sudanesen in ihr Verderben geschickt.“ Julia Albrecht

Siehe auch Seite 9

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