: Nacht des Quarterback
■ Das 3:2 in Kaiserslautern zeigt: Sforza ist der Mann, der für die Bayern denkt
Kaiserslautern (taz) – Uli Hoeneß war gut drauf nach dem 3:2 in Kaiserslautern. Zum x-ten Mal angesprochen auf die deutschen Europapokal-Ergebnisse, und das des FC Bayern im besonderen, geriet der Manager aber doch in Rage. „Der Vogts soll doch still sein und sich um seine Nationalmannschaft kümmern. Wie äußern uns ja auch nicht ständig über ihn.“ Hoeneß hat gut reden. Unmittelbar nach dem 0:1 gegen Lokomotive Moskau hatten die Bayern den von ihnen gefürchteten Betzenberg zwar nicht im Sturm genommen, dafür aber mit Herz und Hirn.
Wer Herzstück dieser Mannschaft ist und verantwortlich für das kluge Spiel, hat sich klar gezeigt: Ciriaco Sforza. Obwohl von den Ex-Fans auf der Westtribüne bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen, spulte die Nr. 14 mit tatsächlich stoischer Ruhe und großem Überblick ihr Spiel ab. Otto Rehhagels „Quarterback“ hat in München die Vorderleute, die auf sein Spiel eingehen, und die Hinterleute, die auf ihn hören. Im Gegensatz zu Scholl und Herzog hat Rehhagel ihn bisher stets durchspielen lassen. Und im Unterschied zu seiner Zeit beim 1. FCK hat er auf der neuen Position mehr Zeit, seine Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Höhepunkt seines Auftritts war die 45. Minute: Einen Freistoß schnitt Sforza so raffiniert an, daß der Ball schließlich an Torhüter Reinke vorbei und über zwei eingezogene Bayern-Köpfe hinweg zum 1:2 im Tor landete.
Zwei Tore kassierte der 1. FCK jeweils kurz vor Ende der beiden Halbzeiten: Ein Zeichen mangelnder Konzentration. Die Leistung nämlich stimmte diesmal eigentlich. Harry Koch deckte Klinsmann zu, und der Verzicht auf die Neuzugänge Greiner, Wegmann und Hollerbach (bis zur 74. Minute) zugunsten von Ritter, Hengen, Lutz und Siegl machte sich atmosphärisch in der Mannschaft und im Stadion positiv bemerkbar. Nur einmal vertat Trainer Friedel Rausch sich, als er für den erschöpften Siegl Olaf Marschall einwechselte. Nur zwei Minuten später patzte Marschall gegen Markus Babbel, und der erzielte das 2:3.
Lokomotive Moskau hin oder her: Für Bayern München ist also die Welt wieder in Ordnung, zumindest bis heute abend, wenn sie im Pokal bei Fortuna Düsseldorf (19.25 Uhr, ZDF) antreten müssen. Für den 1. FCK wird der September zum Monat der Wahrheit. Morgen kommt im Pokal Wattenscheid, eine Woche später muß gegen Slovan Bratislava ein 1:2 aufgeholt werden. Geht da nur ein klein wenig daneben, wird für manchen die Luft sehr dünn werden auf dem höchsten Berg der Pfalz. Günter Rohrbacher-List
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