In 30 Minuten sind Sie weg

■ Neue Wagenburg im Waller Parzellengebiet mußte wieder geräumt werden

Sieben Frauen haben am Samstag eine kleine Wiese beim Kleingartengebiet am Hagenweg in Walle besetzt – mit Bau- und Zirkuswagen. Auf einem Flugblatt schreiben die Frauen: „Wir haben keine Lust mehr auf die Vereinzelung und die uns überall umgebende Männerdominanz, die in dieser Gesellschaft HERRscht. Deshalb nehmen wir uns mit diesem Platz einen weiteren, einzig von Frauen und Lesben bestimmten Raum, um der patriachalen Gewalt etwas entgegen zu setzen.“

Die Antwort der HERRschenden Gesellschaft in Form der Bremischen kam prompt. Gestern morgen überreichte ein Herr von der Bremischen den Besetzerinnen diesen Brief: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind die Verwalter des o.g. Grundstücks, das Sie gegenwärtig besetzt halten. Wir teilen Ihnen hierdurch mit, daß wir die Besetzung nicht dulden und fordern Sie zur unverzüglichen Räumung auf. Parallel hierzu stellen wir Strafantrag gegen Sie.“

Die Frauen mußten sich erstmal setzen. Wenigstens schien die Sonne. Und immerhin hatte ihnen der Mann von der Bremischen 24 Stunden eingeräumt. Man schöpfte Mut, trank Kräutertee, aß Nußnougatcreme. Irgendwann mit rund 15 Frauen hier zusammenleben zu können – ein Traum. Die NachbarInnen aus dem Parzellengebiet hätten nichts dagegen, erzählen die Frauen. Wasser beziehe man aus einer Kneipe, geduscht wird in befreundeten Wohngemeinschaften, das Klo ist ein Kompost-Klo.

Martha lebt seit rund sieben Jahren in einem Bauwagen. Erst im Buntentorsteinweg – bis das Frauenprojekt abgerissen wurde, danach auf dem Weidedamm – da werden ab 1. Oktober die letzten Parzellen gerodet. „In Deutschland kriegst Du legal einfach keinen Platz, eine Besetzung muß jetzt sein“, sagt Martha. Andere deutsche Städte hätten wenigstens anschließend mit den BesetzerInnen Verträge geschlossen, so gebe es mittlerweile schon mindestens 30 Wagenburgen in Deutschland. „Nur in Bremen drücken die sich darum. Aber wir müssen die Stadt auch mal damit konfrontieren, daß es so eine Lebensform gibt.“

„Die Stadt“ läßt sich nicht lange bitten. Um 13.30 ziehen 20 SEK-Beamte auf, vorneweg Polizeirat Rainer Zottmann. Der baut sich vor den Frauen auf. Die stellen sich genauso breitbeinig vor ihn. „Räumen Sie sofort den Platz, Sie haben eine halbe Stunde Zeit.“ Die Frauen ringen um Fassung, sie bekommen nicht die zugesicherten 24 Stunden? „Nein, das Verfahren ist abgeschlossen.“ Ja, aber trete die Stadt denn nicht mit ihnen in Verhandlungen? Schnarrt der Beamte: „Nicht unter diesen Voraussetzungen. Dies ist eine rechtswidrige Situation, da wird keiner mit Ihnen verhandeln.“ Die Wagen, so habe man heute auch den verbliebenen Weidedamm-BesetzerInnen angeboten, könnten an der Hafenrandstraße oder an der Senator-Apelt-Straße beim Güterverkehrszentrum geparkt werden.

Mit Müh und Not können die Frauen dem Beamten eine Viertelstunde Beratungszeit abringen. Und dann sogar das Zugeständnis, einen ganzen Nachmittag für den Abzug zu haben. „Aber wenn Sie nicht gleich damit anfangen, werden wir packen helfen, und zwar anders, als Sie sich das vorstellen.“ Endlich, ein wenig versöhnlicher, sagt der Beamte: „Ob mir das paßt oder nicht, ist eine ganz andere Sache.“ Und hat gar einen Tip: „Ich gebe zu, die Hafenrandstraße ist äußerst unattraktiv, aber dann können Sie doch den Medien sagen: Guckt mal, so müssen wir leben.“

Während die Besetzerinnen noch beraten, kommt ein weiterer Beamter herangewieselt, ein Bekannter vom Weidedamm: Günther Neuhaus vom Polizeirevier Findorff, er hat zwei Kopien unterm Arm mit den Alternativ-Standplätzen. „Offiziell“, flüstert er verschwörerisch, „offiziell ist das nur zum Unterstellen, ähm, also mehr will ich dazu nicht sagen.“ Er empfiehlt den Frauen die Senator-Apelt-Straße. „Die Hafenrandstraße könnt Ihr abhaken, da könntet Ihr gleich auf den Bahnhofsplatz. Beim Güterverkehrszentrum ist es auch ein bißchen grün. Da steht sogar schon ein Mädel mit ihrem Wagen.“

Was sich wie ein alternativer Stellplatz anhört, ist jedoch nur als „Wagenabstellplatz“ gedacht, stellt Ullrich Höft von der Gewoba klar. Bis zum Frühjahr dürften dort Wägen stehen, dann werde das Gelände für die Erweiterung der Hafenrandstraße gebraucht. Über richtige Ausweich-Plätze gebe es keine Verhandlungen. „Ich weiß ja aus der Geschichte mit dem Grünen Weidedamm, wie schwierig das ist, sowas zu finden.“ Die Besetzerinnen der Wiese am Hagenweg aber sagen: „Die Wiese braucht doch sonst niemand.“ cis