UNO: Eroberungen gefährden Friedensplan

■ 100.000 Serben sind auf der Flucht. Viele verlassen inzwischen auch Banja Luka

Sarajevo/Belgrad (AFP/AP/taz) – Die UNO hat die bosnischen Regierungstruppen und die kroatische Armee aufgefordert, angesichts der „humanitären Katastrophe“ in Nordwestbosnien Zurückhaltung zu üben. Die UNO sei besorgt über den schnellen Vorstoß, durch den Zehntausende in die Flucht getrieben wurden, sagte ihr Sprecher Chris Gunness. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) sieht große Schwierigkeiten bei der Versorgung der 100.000 serbischen Flüchtlinge. Diese sei wegen der verstopften Straßen nahezu unmöglich. Journalisten berichteten von einem 70 Kilometer langen Flüchtlingstreck, der sich von Banja Luka in Richtung Derventa an der Straße nach Serbien bewege.

Während der Abzug der schweren Waffen um Sarajevo gestern ebenso weiterging wie der Vormarsch der bosnischen und kroatischen Truppen, traten die Verhandlungen des US-Bosnienvermittlers Richard Holbrooke in Belgrad auf der Stelle. UNO-Sprecher Chris Vernon sagte in Sarajevo, die bosnischen und kroatischen Verbündeten hätten mit ihren Vormärschen die Hälfte des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Dies werfe zunehmend Fragen nach dem Schicksal des Friedensplans der internationalen Kontaktgruppe auf. Die bosnischen Serben teilten mit, sie hätten ihre Fronten wieder stabilisiert.

Nach Gesprächen mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević hieß es aus Holbrookes Delegation, eine Friedensvereinbarung sei noch weit entfernt. Es gebe Probleme „im Bereich der Sicherheit“ Sarajevos, des Korridors nach Goražde und der Rückgabe Ostslawoniens.

Die Belagerung von Sarajevo dauert unterdessen an. UN-Sprecher Vernon erklärte, die Forderung der Vereinten Nationen, volle Bewegungsfreiheit von und nach Sarajevo zu gewährleisten, sei noch nicht erfüllt. Das erneuerte Ultimatum läuft am Mittwoch aus. gb Seite 9