Gut gefragt ist halbe Strecke

■ Weil der Hamburger Verkehrs-Verbund besser, schneller, freundlicher werden will, erkundet er Fahrgastwünsche per Umfrage Von Ludger Hinz

Die alte Dame im Bus ist sichtlich verdutzt. Plötzlich setzt sich ein junger Mann neben sie und spricht sie an: „Guten Tag, HVV-Fahrgastbefragung. Würden Sie mir bitte ein paar Fragen beantworten?“ Die anfängliche Überraschung weicht der Auskunftsfreude und bereitwillig teilt sie ihm ihre „Streckendaten“ wie Abfahrts- und Zielort mit.

Wer auf diese förmliche Weise in Bus, U- oder S-Bahn von sympathisch-dynamischen Leuten mit Check-Listen unterm Arm angesprochen wird, sollte auch nicht auf stur schalten. Durch die gewissenhafte Beantwortung kann KundIn vielleicht zur Änderung oder sogar Verbesserung des allgemeinen HVV-Fahrplans beitragen - angesichts der immer wieder gehörten Klagen über Verspätungen, Linienausfälle, Unfreundlichkeit des Personals und weiteren Ärgernissen ein durchaus löbliches Tun.

Verbesserungen reklamiert der Hamburger Verkehrs-Verbund bereits bei der Vorstellung des neuen Winterfahrplans 1995/96 für sein 832 Seiten starkes Werk. Es tritt mit der Umstellung der Sommer- auf die Winterzeit in der kommenden Samstagnacht in Kraft. Stolz verweist die Gesellschaft auf die „Neuerungen, Serviceverbesserungen und Korrekturen in der Linien- bzw. Streckenführung“.

Sie sind das Resultat von „Fahrgastwünschen, Zählungen und Umfragen“. Einer dieser Umfrager und Zähler ist der Jurastudent Carsten Drescher (26) aus Hamburg. Er gehört zum Team, das zumeist werktags ausschwärmt, um Pendlerströme und Fahrgastverhalten zu erkunden. Seit fünf Jahren gleicht er seine Unkosten im Studium durch das Leute-Zählen aus. Verzählt hat er sich noch nie - oder fast nie, wie er beteuert. „Das kommt drauf an, wie ausgeschlafen ich bin.“ Schwierig ist das allerdings, wenn er morgens um 2.15 Uhr aufstehen muß, um im ersten Bus die ebenfalls noch schlaftrunkenen Werktätigen auf dem Weg zur Arbeit nach ihren Start- und Ziel-Haltestellen zu befragen.

Das Ergebnis solcher Befragungen fand seinen Niederschlag vor allem in der Neueinrichtung, Streichung und Zusammenlegung von Bus-Linien. Pech hatten dabei die Nachtschwärmer, die am Wochenende in Kaltenkirchen dem Disco-leben frönen wollen. Die im Fahrplan bereits aufgeführte letzte Bahn auf der A1 nach Eidelstedt (0.13 Uhr) und in umgekehrter Richtung (1.00 Uhr) wurde ersatzlos gestrichen. Die an den Kosten für den zusätzlichen Zug hauptsächlich beteiligte Gemeinde Quickborn will keine 20.000 Mark dafür berappen. Vielleicht aber haben die Kaltenkirchener Discogänger das dynamische HVV-Umfrage-Team auch einfach nur verschlafen.