: Neutronenstrahlen sind gefährlicher als erlaubt
■ Strahlenschutzverordnung muß geändert werden. Nicht so nah an den Castor ran
Hannover (taz) – Die bundesdeutsche Strahlenschutzverordnung unterschätzt in gefährlicher Weise die schädigende Wirkung von Neutronenstrahlen. Das haben auf einer Anhörung über die „biologische Wirksamkeit von Neutronenstrahlen“ in Hannover jetzt auch Strahlenschutzexperten eingeräumt, die die Atomkraft befürworten. In dem Expertengespräch, zu dem das niedersächsische Umweltministerium wegen der geplanten Castor-Transporte nach Gorleben geladen hatte, verlangten die geladenen Professoren eine Neufassung der Strahlenschutzverordnung. Von einer vier bis fünfmal höheren biologischen Wirksamkeit, als es die Strahlenschutzverordnung zugrunde legt, gingen der Vertreter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und zwei weitere ausgewiesene Atomkraftbefürworter aus. Professor Wolfgang Köhnlein von der Universität Münster sagte hingegen, daß die Wirkung von Neutronenstrahlen bis zu 30mal höher liege, als bisher angenommen.
Das niedersächsische Umweltministerium hat gestern nicht nur vom Bund eine Änderung der Strahlenschutzverordnung verlangt. Vor allem will man jetzt im Hause Griefahn auf Grundlage der Expertenanhörung erneut die Risiken bestimmen, denen Polizeibeamte bei der Begleitung von Castor-Transporten ausgesetzt sind. „Auf Grundlage des Expertengesprächs werde jetzt der niedersächsische Beirat für Fragen des Kernenergieausstiegs eine Empfehlung für den Schutz der Polizisten erarbeiten“, sagte eine Sprecherin des Umweltministeriums gestern. Ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover bekräftigte gestern, daß vor einer endgültigen Klärung der Gesundheitsrisiken für Polizisten kein weiterer Transport nach Gorleben stattfinden wird. Das Umweltministerium ergänzte, daß Atommüll aus der Wiederaufarbeitung, dessen Einlagerung in Gorleben geplant ist, ähnlich hohe Dosen an Neutronenstrahlung abgibt wie Transporte mit abgebrannten Brennelementen. Die Neutronenstrahlung der Glaskokillen mit WAA-Müll sei noch nicht gemessen worden.
Beamte des Innenministeriums haben in der vergangenen Woche mit Kollegen aus dem Bundesumweltministerium über die nächsten Castor-Transporte gesprochen. Über einen Transporttermin ist offenbar in diesem Gespräch noch keine Einigkeit erzielt worden. Während der Bund noch für dieses Jahr zwei Transporte nach Gorleben plant, stehen die Niedersachsen Transporten während des Winters offenbar sehr skeptisch gegenüber. Jürgen Voges
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