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„Schlanker“ Staat durch frühe Rente

■ Grüner Bauminister setzt Vorruhestandsmodell durch

Düsseldorf (taz) – Die rot-grüne nordrhein-westfälische Landesregierung will ihre drastischen Personalabbaupläne mit Hilfe der Sozialkassen realisieren. Das Kabinett verabschiedete am Dienstag abend ein vom grünen Bauminister Michael Vesper vorgelegtes Vorruhestandsmodell, das den Beschäftigten auf freiwilliger Basis ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst ermöglicht. Nach dem Muster des in der Montanindustrie praktizierten Modells können nun auch die Angestellten und Arbeiter der Bauverwaltung sich mit 58 Jahren frühzeitig der Arbeitsfron entledigen. Dabei wird ihnen 80 Prozent ihres letzten Nettojahreseinkommens garantiert. Zwei Jahre kommt das Geld vom Arbeitsamt, danach zahlt die Rentenkasse.

Noch Anfang des Monats hatte die SPD-Landtagsfraktion das Vesper-Modell als „absurde Vorstellung“ niedergemacht. Für die CDU kommt das Modell einer „Plünderung der Sozialkassen“ gleich, um „den maroden Landeshaushalt zu sanieren“. Völlig aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe nicht. Der Arbeitslosenkasse in Nürnberg werden zwar alle Kosten erstattet, aber auf die Rentenversicherung kommen erhebliche Mehrbelastungen zu. Das soll nach dem Willen der rot-grünen Regierung aber nicht so bleiben. Man werde sich jetzt um „eine bundesgesetzliche Regelung bemühen“, um bei Frühverrentungen private und öffentliche Arbeitgeber an der Rentenfinanzierung zu beteiligen, hieß es gestern. Allein in der Bauverwaltung sollen 1.500 der 4.000 Stellen in den nächsten Jahren nach diesem Modell abgebaut werden. Die Personalkosten würden dann um „mindestens 110 Millionen Mark jährlich“ sinken. Daß die Rechnung mangels Nachfrage nicht aufgehen könnte, steht nach den Erfahrungen aus der Privatwirtschaft kaum zu befürchten. Schon mit 58 Jahren die Freiheit von entfremdeter Arbeit zu genießen scheint vielen Beschäftigten Nettolohneinbußen allemal wert. Walter Jakobs

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